Eingabeflut gegen Abfall
Von Oliver Rast
Vor einigen Tagen war Fristende: für Einwendungen und Stellungnahmen im »Beteiligungsverfahren« der Bürger der Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin. Die ist in Aufruhr, fraktionsübergreifend wollen Anwohner und Lokalpolitiker eine Müllhalde verhindern (jW berichtete). Demnach plant die Herzfelder Kreislaufwirtschafts- und Verwertungs GmbH (HKV) eine Abfalldeponie der »Deponieklasse 0 (DK0)« zwischen den Ortsteilen Herzfelde und Hennickendorf. Die oberirdische Ablagerungsstätte soll auf dem Areal des örtlichen Tontagebaus entstehen. Für gesteinsähnliche, schadstoffarme Materialien, sogenannte Inertstoffe. Also vorrangig für Bauschutt und Bodenaushub.
Wie viele Eingaben gab es? Viele. Allein bei der Gemeinde gingen rund 300 ein, sagte Alexander Reetz, Referent der Bürgermeisterin Sabine Löser, am Donnerstag gegenüber jW. Diese würden nun an die zuständige Behörde, das Landesamt für Umwelt (LfU) weitergeleitet. Dort reichten Bürger weitere zehn ein, so ein LfU-Sprecher am Mittwoch auf jW-Nachfrage. Was passiert nun? Reetz: »Im LfU werden Einwendungen zuständigkeitshalber geprüft und im Rahmen des Beteiligungsverfahrens bewertet.« Das dürfte dauern.
Davon unabhängig: Das Planfeststellungsverfahren für die HKV-Deponie hat kürzlich begonnen. Das dem Landesumweltministerium von Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) unterstellte LfU ist auch dafür verantwortlich. Im Zulassungsprozess werden nun alle Belange abgewogen, die für oder gegen das Bauvorhaben sprechen – Naturschutzfragen im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung etwa. Mit einem Abschluss ist nicht vor anderthalb Jahren zu rechnen, hieß es seitens des LfU. Auch hier: Es dauert.
Engagierte Bürger und die Umweltpartei ÖDP in Brandenburg zweifeln selbst die Planrechtfertigung der DK0-Deponie an, sehen keinen Bedarf – dafür diverse Naturschutzrisiken. Deshalb auch die wahre Eingabeflut, wissen die Öko-Demokraten. Eines der Hauptprobleme: Altlasten aus DDR-Zeiten. Dort, wo die HKV künftig eine Bauschuttdeponie betreiben will, wurde seit den 1970er Jahren teils Giftmüll aus Westberlin verbuddelt. Würden sich knapp sechs Millionen Kubikmeter Bauschutt 40 Meter hoch – wie laut ÖDP von der HKV vorgesehen – auftürmen, bestünde die Gefahr, »dass durch die enorme Drucklast im Sand gebundene Giftstoffe ins Trinkwasser gelangen könnten«, so der Brandenburger Landesverband jüngst in einer Pressemitteilung. Hinzu kommt: Nach der »Abfallhierarchie« ist Müll nicht nur zu vermeiden, sondern anfallender zu recyceln. Bauschutt sei hierfür ideal, nur: »Der Recyclingwille der Baubranche fehlt.«
Was sagt das LfU? Vorweg: In Brandenburg gibt es 17 Deponien unterschiedlicher Abfallkategorien. Sieben weitere befänden sich im Genehmigungsprozess und fünf in Planung, so der Behördensprecher zu jW. Und, entscheidend: »Kapazitäten der bisherigen Verwertungsmaßnahmen (…) werden in den nächsten Jahren kontinuierlich abnehmen.« Eine Deponie nur für Bauschutt gebe es in Brandenburg gegenwärtig nicht. Entweder werde der Bauschutt wiederverwertet oder auf anderen Deponien abgelagert. Ergo müssten »alternative Entsorgungsmöglichkeiten für DK0-Abfälle ernsthaft geprüft werden«. Aussagen, die sich auf der Linie der HKV bewegen. Katharina Magasch, eine von drei HKV-Geschäftsführern, sagte unlängst zu jW: »Es gibt definitiv Bedarf (für die DK0-Deponie, Anm. jW) und dieser dürfte (…) sogar noch steigen«.
Für betroffene Anwohner eine Extrawarnung, die Vielzahl an Eingaben indes ein starkes Indiz gegen die Abfallpläne. Bürgermeisterin Löser sagte bereits im März: Ihre Gemeinde sei nicht mehr bereit, »den staubigen Preis für den baulichen Wohlstand Berlins und des Umlandes zu zahlen.«
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