Feindbilder klar benannt
Von Igor Kusar, Tokio
Es sollte eine »Friedensreise« werden – Fumio Kishidas Fünf-Länder-Tour plus Vatikan Ende April und Anfang Mai. Das zumindest hatte Japans Premier am 29. April vor seinem Abflug in Tokio behauptet. Doch von Frieden war während seiner Reise um die halbe Welt kaum die Rede.
In Indonesien, Thailand und Vietnam versuchte er, sich als Brückenbauer zwischen den G7-Staaten und Südostasien. Die Regierungen der drei Länder versuchte er zu einem härteren Vorgehen gegen Russland zu überreden. Im östlichen Teil Asiens beteiligen sich bisher nur Japan, Südkorea und Singapur an den westlichen Sanktionen.
Zweites wichtiges Thema der Reise war der »freie und offene Indopazifik«, eine Strategie, mit der der Westen und seine Verbündeten in der Region versuchen, die Volksrepublik China einzuhegen. Das wichtigste Ergebnis der Bemühungen: ein neues Abkommen zwischen Japan und Thailand, das dem gegenseitigen Transfer von Ausrüstung und Technologie »zur Verteidigung« dienen soll.
Auch beim zweiten Teil von Kishidas Reise, der den japanischen Premier nach Italien und Großbritannien führte, standen diese Themen auf dem Programm. Im Vereinigten Königreich unterzeichnete er mit seinem britischen Amtskollegen Boris Johnson am 5. Mai ein »wegweisendes Verteidigungsabkommen«, das sich gegen die Volksrepublik richtet. Nach dem Treffen erklärte Kishida gegenüber der Presse, was der Ukraine widerfahre, könne »morgen« schon in Ostasien geschehen. Man könne »eine einseitige Machtdemonstration im Indopazifik nicht zulassen« – ein eindeutiger Hinweis auf die angebliche Gefahr eines bevorstehenden chinesischen Einmarsches in das von Beijing als abtrünnige Provinz betrachtete Taiwan.
Der Provokationen entsprechend fiel die Reaktion aus. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Zhao Lijian erklärte am 6. Mai vor Journalisten, Japan verfolge in der Diplomatie eine eigene Agenda, dramatisiere regionale Spannungen und veranstalte einen Hype um die vermeintliche Bedrohung durch China. Tokio wolle so »eine Ausrede dafür finden«, dass es ein immenses Aufrüstungsprogramm fahre und »gegenseitiges Vertrauen und Kooperation in der Region untergräbt«.
Tatsächlich reiht sich Tokios neuer Deal mit Großbritannien – der offizielle Name ist Reciprocal Access Agreement (RAA) – in eine große Anzahl von Bündnissen in der Region ein, wie dem sogenannten Quad, bestehend auf den USA, Australien, Indien und Japan. Durch das RAA verpflichten sich die beiden Vertragspartner, Militärmanöver und Rettungsübungen für Katastrophen gemeinsam durchzuführen. Tokio und London arbeiten außerdem bereits an der gemeinsamen Entwicklung eines Motors für ein Kampfflugzeug.
Das verstärkte Engagement im sogenannten Indopazifik ist Teil von Londons Post-Brexit-Politik. Johnson, der die Region als das künftige »geopolitische Zentrum der Welt« bezeichnet, plant insbesondere eine erhebliche Stärkung der dortigen britischen Militärpräsenz. Außerdem ist London an einer Mitgliedschaft in der Transpazifischen Partnerschaft 11 (TPP11) interessiert, bei der Japan eine führende Rolle spielt.
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