Image futsch
Von Oliver Rast
Sie sind großflächig, sie sind nicht zu übersehen: knallige Plakate in Signalfarben an Wartehäuschen Kölner Tramlinien. Darauf steht in großen Lettern mit abgewandeltem Logo des Discounters: »Diktatur kann so ALDI sein.« Es ist eine typische Adbusting-Aktion, mittels öffentlicher Aushänge werden Werbebotschaften von Konzernen verfremdet, bloßgestellt. Wie in diesem Fall. Der Anlass: Das Management von Aldi Süd behindert betriebliche Mitbestimmung, schikaniert gewerkschaftlich engagierte Beschäftigte, betrachtet den Billigheimer als »exterritoriales Gebiet«, so die scharfen Vorwürfe der Initiative »Aktion Arbeitsunrecht« in einer Mitteilung vom Donnerstag.
Methoden von Union Busting, also der systematischen Betriebsratsbekämpfung, gehörten angeprangert und juristisch verfolgt, sagte Elmar Wigand, Pressesprecher von »Aktion Arbeitsunrecht«, am Freitag im jW-Gespräch. Gleichentags mobilisierte die Initiative unter dem Hashtag »Freitag 13« zum Aktionstag gegen die Geschäftspraktiken von Aldi Süd. Überregional, in 15 Städten vor Filialen. Ferner parallel gegen Betriebsratshasser vom mobilen Lieferdienst Getir.
Mit alternativen »Kundeninformationen« vor Supermarkteingängen solle das Image von Aldi »nachhaltig korrigiert« und Verbraucher mit zusätzlichen Auskünften über die Produktpalette versorgt werden, so Wigand weiter. Harte Jobbedingungen und kriminelle Maschen würden problematisiert. Das scheint auch nötig. Denn Aldi Süd ist bis auf wenige Ausnahmen eine betriebsratsfreie Zone. Erst Mitte April hatten mutmaßlich führende Angestellte samt Anhang die Abstimmung über einen Wahlvorstand für eine Betriebsratsgründung in der Aldi-Süd-Region Dormagen in NRW torpediert (jW berichtete).
Das sieht – erwartbar – das Unternehmen anders. Aldi Süd habe »seit vielen Jahren Werte und Regeln für ein faires und respektvolles Miteinander festgelegt«, verlautbarte eine Sprecherin am Freitag auf jW-Nachfrage. Nicht von ungefähr sei die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Betriebsräten »vertrauensvoll und konstruktiv«. Unzufriedene Mitarbeitende könnten von ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen. Alternativ stehe Beschäftigten »zur internen Konfliktlösung ein Vertrauensanwalt zur Verfügung«.
Nichts als Schönwettersprüche, wissen Aktivisten. Und: Auch Parlamentarier hegen Zweifel an der blütenweißen »Aldi-Firmenphilosophie«. Grundsätzlich, so Jan Dieren, Berichterstatter für Arbeit 4.0 der SPD-Bundestagsfraktion, müssen Unternehmen betrieblicher Mitbestimmung »Raum geben«. Nur so lernten Belegschaften, Produktionsabläufe zu gestalten, bemerkte er am Freitag gegenüber jW. Deutlicher wurde Susanne Ferschl (Die Linke). Sabotage von Betriebsratsarbeit sei kein Kavaliersdelikt, betonte die Vizevorsitzende ihrer Bundestagsfraktion auf Anfrage dieser Zeitung – und beklagte, »dass derartige Verstöße kaum Sanktionen für die Arbeitgeber nach sich ziehen«. Es brauche Schwerpunktstaatsanwaltschaften, höhere Strafen und Melderegister. Ähnlich äußerte sich die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) innerhalb der SPD, Cansel Kiziltepe: »Sollte sich herausstellen, dass die Aldi-Unternehmensleitung mit unlauteren Methoden versucht, die Rechte der Beschäftigten zu behindern, muss das strafrechtliche Konsequenzen haben«, sagte sie zu jW. Deshalb werde das Bundeskabinett Union Busting »schnell zum Offizialdelikt machen«, versicherte die AfA-Chefin.
Damit geht Wigand von »Aktion Arbeitsunrecht« d’accord. Kreative Subversion und ziviler Ungehorsam blieben indes wichtig, um Konzerne, die faktisch das Betriebsverfassungsgesetz aushebeln, in die Bredouille zu bringen. Prestigeschäden seien das mindeste, um Druck aufzubauen. »Für freie, geheime und faire Betriebsratswahlen«, so Wigand. In jeder Filiale.
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