PKK strebt Legalisierung an
Von Nick Brauns
Im November 1993 verfügte der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) ein Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Bundesrepublik. Vorausgegangen waren militante Proteste wütender Kurden gegen die Bombardierung kurdischer Städte und Dörfer im Südosten der Türkei durch Ankaras Armee. Fast drei Jahrzehnte nach dem Erlass, der seitdem Grundlage für zahlreiche Vereins- und Versammlungsverbote, Tausende von Strafverfahren, aber auch aufenthaltsrechtliche Beschränkungen war, beantragt die PKK jetzt offiziell die Aufhebung ihres Betätigungsverbots.
Ein entsprechender Antrag sei nun beim Bundesinnenministerium gestellt worden, berichtete Rechtsanwältin Heike Geisweid vom Verein für Demokratie und Internationales Recht MAF-DAD am Mittwoch in Berlin im Haus der Bundespressekonferenz. Denn heute fehlten alle Voraussetzungen für ein weiteres Verbot, die Partei stelle keine Gefahr für die innere Sicherheit dar. »Die PKK begeht keine Straftaten in der BRD. Das PKK-Verbot schafft vielmehr erst diese Straftaten«, so die Juristin. Auch von Polizeibehörden oder dem Verfassungsschutz würden der PKK heute keine der Straftaten, die ihr zum Verbotszeitpunkt 1993 angerechnet wurden – darunter Tötungsdelikte und Brandstiftungen – mehr vorgeworfen.
Das betonte der Berliner Rechtsanwalt Peer Stolle, der zusammen mit seinem Kollegen Lukas Theune die kurdische Partei gegenüber dem Bundesinnenministerium vertritt. Ein Gutachten des Freiburger Kriminologen Roland Hefendehl zeige hier qualitativ und quantitativ erhebliche Veränderungen. So handele es sich bei der Mehrzahl der Straftaten mit PKK-Bezug um Verstöße gegen das Vereinsgesetz – also das PKK-Verbot – oder sich direkt daraus ergebende versammlungsrechtliche Delikte, etwa wegen unter das Verbot fallender Fahnen oder Parolen.
Die PKK habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten politisch entscheidend verändert, führte Anwalt Theune aus. So trete die PKK nicht mehr für einen kurdischen Nationalstaat, sondern für demokratische Rechte, Mitbestimmung und kulturelle Autonomie für die kurdische Bevölkerung ohne Veränderung der Grenzen ein. In Nordsyrien beweise die kurdische Bewegung, dass es ihr mit dem Konzept demokratischer Selbstverwaltung bei ethnischer und kultureller Vielfalt ernst sei. Dagegen trete die türkische Regierung Demokratie und Menschenrechte mit Füßen und führe völkerrechtswidrige Angriffskriege gegen Nordsyrien und den Nordirak. Daher lasse sich das PKK-Verbot auch nicht mehr mit diplomatischer Rücksichtnahme auf die Türkei begründen, so Theune.
Von erheblichen Grundrechtseingriffen und einem Generalverdacht gegen die kurdische Community infolge des PKK-Verbots berichtete die kurdische Aktivistin Dilan Akdogan. Kurden würden unter Entscheidungszwang gesetzt, sich und ihre Identität zu verleugnen, andernfalls würden sie als »Gefährder« und »Verfassungsfeinde« dämonisiert. So wirke sich das Verbot als Integrationshemmnis aus. Während der türkische Staat durch das Fortbestehen des PKK-Verbots in Deutschland zu einer Fortsetzung seiner Angriffe auf Kurden ermutigt werde, könne eine Aufhebung des Verbots den Druck auf Ankara verstärken, die kurdische Frage durch Dialog zu lösen.
Gestellt wurde der Antrag offiziell im Namen des Exekutivrates der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK). Dieser Dachverband vereint die PKK und ihre Schwestervereinigungen in den verschiedenen Teilen Kurdistans sowie der Diaspora. Auf der EU-Terrorliste, die Finanztransaktionen mit den Gelisteten verbietet, findet sich neben der PKK auch die KCK. Auch die Arbeit der Anwälte sei durch die mit der Terrorliste verbundenen Kontaktbeschränkungen mit ihrer Mandantin beeinträchtigt, bestätigte Theune auf jW-Nachfrage.
Nun muss das von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geleitete Ministerium den Antrag auf Aufhebung des Betätigungsverbots prüfen. Sollte das Begehren zurückgewiesen werden, wäre der nächste Schritt eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Bundesregierung sehe derzeit keinen Anlass, an der Einstufung der PKK als »extremistische« und »terroristische Organisation« etwas zu ändern, erklärte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Berlin.
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