Elbe als Industriekanal
Von Burkhard Ilschner
»Holen wir uns die Elbe zurück!« skandierten Umweltschützer, Studenten und junge Hobbysegler Anfang der 1980er Jahre in Hamburg. Sie protestierten gegen die »Umgestaltung« des Flusses zu einem bloßen Schiffahrts-, Industrie- und Abwasserkanal. Gemeinsam mit damals noch existierenden Berufselbfischern wurden Messfahrten an auffälligen Abwasserrohren, Gutachten und Kundgebungen organisiert.
Zu den Aktionen gehörte alsbald auch die »Alternative Hafenrundfahrt«, die an diesem 7. Mai genau 40 Jahre alt wird: Zwischen Frühjahrs- und Herbstbeginn schipperte freitags regelmäßig eine Barkasse interessierte Einzelpersonen, Gruppen oder auch Schulklassen erst durch die rechtselbische Speicherstadt und dann durch die teilweise verwinkelten Kanäle und Hafenbecken auf der linken Flussseite. Organisiert und getragen wird das Ganze bis heute vom Förderkreis »Rettet die Elbe« (RdE). Experten referieren während der anderthalbstündigen Fahrt über am und im Fluss sichtbare »Wechselwirkungen zwischen Ökologie, Wirtschaftsweise, Standort- und Sozialpolitik am Beispiel Hafen«, wie es in einem Infoblatt heißt. Die Häufigkeit der Fahrten hat in letzter Zeit allerdings leicht abgenommen, weil den Akteuren der Nachwuchs fehlt. Vielleicht hilft ja dieser Beitrag, dass sich das ändert.
Es ging und geht um Beeinträchtigung der Wasserqualität durch multiple Abwässer, um immer größere Schiffe, schnelleren Güterumschlag und die Frage, was dabei mit dem Fluss passiert. Weitere Themen sind »Sauerstofflöcher«, die Fischpopulationen ausrotten; industrielle Einleitungen; »glänzende Geschäfte« der chemischen Industrie; Emissionen von Kraftwerken oder eine Schiffahrt, die Raffineriesonderabfälle als Treibstoff nutzen darf. Erörtert werden auch die andauernden Elbvertiefungen, der Verbleib schadstoffbelasteten Baggerguts, Dörfer verschlingende Hafenerweiterungen oder die Frage, warum die Elbe kein Badegewässer mehr ist.
Es ging RdE nie um eine »reine Umweltfahrt«, sondern darum, »die anderen Seiten« des Hafens erfahr- und begreifbar zu machen. Umrissen werden Geschichte, Gegenwart und Zukunft interkontinentaler maritimer Wirtschaft. Es geht um die angebliche Schaffung von Arbeitsplätzen, die dann doch ausbleiben, um versprochenen Wohlstand, der letztlich nur einer Minderheit zugute kommt; und um die nachdrückliche Betonung, dass die Milliardenkosten dieses Wirtschaftens immer und allein der Allgemeinheit aufgebürdet werden.
Das Spektrum der Rundfahrtthemen hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Einige sind weggefallen, andere hinzugekommen, viele werden weiter referiert – eine kontinuierliche Entwicklung mit wenigen Erfolgen. Dennoch will RdE – bis auf weiteres – mit »Alternativen Hafenrundfahrten« Aufmerksamkeit wecken für einzelne Probleme, ihre Ursachen und größere Zusammenhänge.
Drei Wochen kostenlos lesen
Die Tageszeitung junge Welt stört die Herrschenden bei der Verbreitung ihrer Propaganda. Sie bezieht eine aufklärerische Position ohne Besserwisserei und wirkt durch Argumente, Qualität, Unterhaltsamkeit und Biss.
Überprüfen Sie es jetzt und testen die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) kostenlos. Danach ist Schluss, das Probeabo endet automatisch.
Ähnliche:
- Christian Charisius/dpa25.04.2020
Sozialpolitik kein Thema
Regio:
Mehr aus: Inland
-
»Mal sehen, was wir voneinander lernen können«
vom 07.05.2022 -
Sieben sollen’s sein
vom 07.05.2022 -
Ministerium mauert
vom 07.05.2022 -
Aufnahmestopp bei Tafeln
vom 07.05.2022