Krieg geht vor
Von Marc Bebenroth
Nach dem Abschluss der zweitägigen Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg bei Berlin hat die Bundesregierung am Mittwoch weiteren finanziellen Entlastungen für die Bevölkerung eine Absage erteilt. Angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise verwies Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darauf, dass bereits »zwei große Entlastungspakete auf den Weg gebracht« worden seien. »Uns lässt nicht kalt, wenn die Menschen durch die Preise belastet werden«, behauptete Finanzminister Christian Lindner (FDP) in Meseberg. Scholz verwies auf Berechnungen, wonach die auf den Weg gebrachten Beschlüsse »im Schnitt etwa 90 Prozent der Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger« durch steigende Energiepreise »ausgleichen« würden.
Engagierter ist das Kabinett bei der Versorgung der Ukraine mit Waffen. So werde die Lieferung von schweren Artilleriegeschützen aus Bundeswehr-Beständen geprüft und erörtert, ob die von den Niederlanden geplante Lieferung von fünf Panzerhaubitzen 2000 aufgestockt werden könne, sagte Ministerin Christine Lambrecht (SPD). Die BRD habe rund 100 Haubitzen, von denen etwa 40 einsatzbereit seien. Laut Nachrichtenagentur dpa kommen derzeit sieben für eine Lieferung in Frage. Bereits beschlossen ist, dass die Bundeswehr ukrainischen Soldaten die Bedienung von Artilleriegeschützen in Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz beibringt. Wie im Gegenzug dafür forderte Scholz von Kiew, auf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zuzugehen. Angesichts der »Verstimmungen« um dessen Ausladung halte der Kanzler es für angebracht, »dass jetzt die Ukraine auch ihren Beitrag leisten muss«.
Der Wirtschaftskrieg gegen Russland soll mit weiteren Sanktionen gegen »Gefolgsleute« des russischen Präsidenten Wladimir Putin verschärft werden. Auch wird das Abwerben von Arbeitskräften vorangetrieben. »Wir können sie gut gebrauchen«, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) nach der Klausur. Es solle jenen ein Arbeitsplatz angeboten werden, die Russland verlassen hätten oder nicht mehr dorthin zurück wollten. Dafür müssten Beschränkungen gelockert werden. Jedoch solle Habeck zufolge das Bundesinnenministerium darauf achten, »dass nicht die falschen zu uns kommen und wir uns auf einmal hier lauter Spione ans Land holen«.
Drei Wochen kostenlos lesen
Die Tageszeitung junge Welt stört die Herrschenden bei der Verbreitung ihrer Propaganda. Sie bezieht eine aufklärerische Position ohne Besserwisserei und wirkt durch Argumente, Qualität, Unterhaltsamkeit und Biss.
Überprüfen Sie es jetzt und testen die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) kostenlos. Danach ist Schluss, das Probeabo endet automatisch.
-
Leserbrief von C. Hoffmann ( 6. Mai 2022 um 14:57 Uhr)Ich fürchte, dass sich Minsk II erledigt hat, lieber Herr Helms . Donezk und Lugansk (und die Krim schon gar nicht) werden einer Rückkehr in die Ukraine, mit oder ohne Autonomie nicht zustimmen. Acht Jahre Terror sind genug. Worum geht es denn? Es geht gar nicht um die Ukraine und ihre Eigenständigkeit. Unsere »Freunde« von der NATO, angeführt von den USA, führen einen Stellvertreterkrieg und die Ukraine ist das Kanonenfutter, nachdem der Konflikt seit Jahren geschürt und seit Januar 2022 zielstrebig auf die Spitze getrieben wurde. (Ich möchte daran erinnern, dass der diplomatische Schriftwechsel zum Thema »Keine weitere NATO-Osterweiterung, Sicherheitsgarantien für Russland« öffentlich und nachlesbar ist. Das ist kein Geheimwissen. Es ist auch nicht geheim, dass USA und NATO alles arrogant vom Tisch gewischt haben.) »Der Russe« hat am 24. Februar die arme, friedliebende Ukraine böswillig überfallen, so das offizielle westliche Narrativ. Acht Jahre werden einfach ausgeblendet, genau wie das außenpolitische Versagen des jetzigen Bundespräsidenten, der es geschafft hat, jeden Vertrag, für dessen Durchsetzung er bürgen sollte, zu verraten. Unsere Außenministerin will Russland »ruinieren«, auf den Schultern der Kriegsverbrecherin Albright stehend. Frau von der Leyen will Russland zur Kapitulation zwingen. Ein gefährliches Narrenschiff, auf dem wir uns befinden. Ich lehne Krieg zur Lösung von Problemen ab, das hindert mich aber nicht daran, zu verstehen, wie die Situation, in der sich Europa, nicht die EU, sondern der Kontinent, jetzt befindet, zustande gekommen ist.
-
Leserbrief von Christian Helms aus Dresden ( 6. Mai 2022 um 14:10 Uhr)Wer von den Ukrainern ruft nach immer effektiveren Tötungs- und Zerstörungswaffen? Sind es die im Land Gebliebenen, die um ihr Leben fürchten müssen? Sind es die Flüchtlinge, die in ihre Heimat zurückkehren möchten? Oder sind es Politiker innerhalb und außerhalb der Ukraine, die ihre Macht ausbauen und ihren Einfluss erweitern möchten? Sicher ist, dass Waffenlieferungen noch mehr Leid und Zerstörung bewirken. Ob sie Putin bewegen, seine Aggression zu beenden? Eher nicht. Warum deshalb nicht auf Minsk II zurückkommen? Um den Frieden in Europa zu wahren, wurde das Abkommen zwischen Russland und der Ukraine sowie Deutschland und Frankreich als Garantimächten geschlossen. Mit seiner Erklärung 2202 hat es der UN-Sicherheitsrat bestätigt. Wesentlicher Inhalt ist die Autonomie des umstrittenen Donbass innerhalb der Ukraine. Darüber hinaus auch für die Krim vorstellbar. Beide Seiten könnten so ihre Interessen ausgleichen und ihr Gesicht wahren – eine Voraussetzung für ein Ende des Konflikts.
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Z. ( 6. Mai 2022 um 14:25 Uhr)Kleine Korrektur: Russland ist ebenso wie Deutschland und Frankreich Garantiemacht von Minsk II und nicht Vertragspartner.
-
-
Leserbrief von Lothar Böling aus Düren ( 6. Mai 2022 um 09:34 Uhr)Das bisherige Gerede vom Völkermord in der Ukraine wird künftig auf eine neue Stufe gestellt. Denn die Lieferung schwerer Waffen, wie Panzerhaubitzen, ermöglicht es der Ukraine, damit nicht nur russische Soldaten zu töten, sondern auch die Zivilbevölkerung in den »Volksrepubliken« Lugansk und Donezk zu beschießen. Also das, was ukrainische Nationalisten und Faschisten bereits seit 2014 tun, wird künftig mit deutschen Waffen fortgesetzt. Das gezielte Töten der russischsprachigen Zivilbevölkerung ist dann Völkermord, made in Germany. Darüber sollte man sich im Klaren sein, wenn man schwere Waffen liefert. Welche Folgen dies für die Täter hat, wird sich zeigen. Das lustige Sightseeing deutscher Politiker in Kiew, könnte dann schnell zur Abenteuerreise werden. Deutschland ist bereits für den Tod von 27 Mio. Sowjetbürgern verantwortlich. Was für ein NATO-Verbrecherstaat!
Ähnliche:
- Egon Steiner/dpa30.04.2022
»Durch Waffenlieferungen wird Konflikt noch blutiger«
- Michael Kappeler/dpa29.04.2022
Kriegsvorbereitung gebilligt
- BeckerBredel/imago images27.04.2022
Kalkulierter Affront
Mehr aus: Inland
-
Bild schießt CSU-General ab
vom 05.05.2022 -
Wut über Polizeigewalt
vom 05.05.2022 -
Schwaches Instrument
vom 05.05.2022 -
Abgrund mit Mautamigos
vom 05.05.2022