Der Ring mit der Fahne

In der Schweiz gab es in der Zeit zwischen den Weltkriegen – insbesondere in und nach dem Ersten Weltkrieg und dann wieder nach 1933 – deutschsprachige Verlage für kommunistische bzw. linksradikale Literatur, die eine über das Land hinausgehende Bedeutung hatten. Christof Manz hat nun eine vollständige, mit einer ausführlichen Einführung und zahlreichen farbigen Illustrationen versehene Bibliographie der Titel des Promachos-Verlages (1916 bis 1922) und des Ring-Verlages (1933 bis 1936) vorgelegt. Manz will damit nicht zuletzt »das häufig unbeachtete Erbe der Arbeiterverlage« in Erinnerung rufen.
Der Promachos-Verlag war der erste Verlag der revolutionären Linken in der Schweiz. Die Geschichte der »Erstgründung« der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS) im Mai 1919 sei »undenkbar ohne den Promachos-Verlag«, so Manz. Und: In dem Verlag erschienen fünf Schriften Lenins in deutscher Sprache – zumeist als Erstausgaben, darunter 1918 »Staat und Revolution« und »Die nächsten Aufgaben der Sowjet-Macht«. Linke russische Emigranten prägten Teile des Verlagsprogramms; auch Arbeiten von Bucharin (das »Programm der Kommunisten«), Radek, Lunatscharski und Trotzki kamen hier heraus. Gegründet wurde der Verlag 1916 von Fritz Jordi. 1918 wurde er polizeilich geschlossen, anschließend aber unter dem leicht abgewandelten Namen Promachos-Presse fortgeführt. Auch die kommunistischen Blätter Bieler Vorwärts und Neue Ordnung erschienen hier.
Die Geschichte des Ring-Verlages liegt weithin im dunkeln. Bemerkenswert sei, dass der Verlag in der Literatur zum deutschen politischen Exil kaum beachtet werde, so Manz. Die Behauptung, es habe sich hier um einen Exilverlag der KPD gehandelt, lasse sich nicht verifizieren. Offensichtlich sei dagegen die Verbindung zur KPS. Das John Heartfield zugeschriebene Verlagszeichen, ein roter bzw. schwarzer Ring mit wehender Fahne, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg übrigens – grafisch leicht verändert – vom Berliner Dietz-Verlag verwendet. Der Ring-Verlag setzte zu einem erheblichen Teil das Programm des 1934 verbotenen Wiener Verlags für Literatur und Politik fort; nicht dokumentierte, aber laut Manz »zweifelsfrei« engste Beziehungen unterhielt der Verlag zur »Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR« (Vegaar) mit Sitz in Moskau und Leningrad. Ungeklärt ist, warum der Verlag 1936 seine Geschäftstätigkeit einstellte. Bis dahin hatte er unter anderem Nadeschda Krupskajas »Erinnerungen an Lenin«, Michail Scholochows »Neuland unterm Pflug«, Johannes R. Bechers »Der verwandelte Platz« und Anton de Koms jüngst »wiederentdecktes« Buch »Wir Sklaven von Surinam« herausgebracht. (jW)
Christof P. Manz: Zwei frühe kommunistische Schweizer Verlage. Eine Bibliografie mit Illustrationen. Selbstverlag, Zürich 2022, 128 Seiten, Bezug: Dokumentationsstelle für historische Recherchen Zürich, E-Mail: info.recherche@ggaweb.ch
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