Zeichen gegen China
Von Igor Kusar, Tokio
Es ist die erste Asienreise von Olaf Scholz (SPD) als Bundeskanzler. Am Donnerstag und Freitag traf er zu Gesprächen in Japan ein und setzte damit gleich zu Beginn seiner Amtszeit ein Zeichen gegen China – entgegen der Präferenzen seiner Vorgängerin Angela Merkel, die China hofierte und das Land während ihrer 16jährigen Regierungszeit zwölfmal besuchte. Zunächst kam er mit dem japanischen Regierungschef Fumio Kishida zusammen, um sich in der Ukraine-Frage über weitere Schritte bezüglich Sanktionen gegen Russland und Hilfslieferungen an die Ukraine auszutauschen. In einem Statement betonte Scholz jedoch auch, dass es ein Ziel Deutschlands und der EU sei, das Engagement im Indopazifik fortzusetzen und zu intensivieren.
Scholz bleibt zwar in der China-Politik Realist, der Deutschlands wirtschaftliche Abhängigkeit im Auge behält, doch im Streit um vermeintliche Menschenrechtsverletzungen und Chinas Aufstieg zur Weltmacht ergreift er klarer Partei und zieht mit den anderen Westmächten an einem Strang. Seit Beginn seiner Amtszeit im Dezember hat er versucht, die Kooperation mit Ländern im Indopazifik – wie Japan, Singapur oder Südkorea – zu stärken und so eine gemeinsame Front gegen die Volksrepublik aufzubauen.
Dasselbe lässt sich auch von seinem Amtskollegen Kishida sagen. Vordergründig setzt er die Tauwetterpolitik gegenüber Beijing fort, die sein Vorvorgänger Shinzo Abe ab 2018 verfolgte. Kishida hat von diesem aber auch die »freie und offene Indopazifische Strategie« geerbt, die sich gegen die Volksrepublik richtet und der er sich verpflichtet fühlt. Auch um dieses Projekt am Laufen zu halten, rief Kishida in einem Neujahrsstatement das »Jahr der Diplomatie« aus. Dies erinnert stark an die Politik von Abe, dem es gelang, sich zu Hause als weltgewandter Chefdiplomat zu verkaufen, dessen Bilder mit den Potentaten der Welt durch die japanische Presse gingen. Viel gebracht haben Abes Weltumrundungen Japan nicht.
Nun versucht auch Kishida, der als langjähriger Außenminister stolz auf sein »diplomatisches Geschick und Gespür« ist, noch vor den Oberhauswahlen im Juli auf dem internationalen Parkett Punkte zu sammeln. Im April hat er bereits Würdenträger aus der Schweiz und Neuseeland empfangen, nach Scholz’ Abreise fliegt er unter anderem nach Indonesien, Thailand und Vietnam, und für die zweite Maihälfte hat sich US-Präsident Joseph Biden angekündigt. Eine persönliche Begegnung mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ist vorerst nicht vorgesehen.
Die Zukunft der japanisch-chinesischen Beziehungen ist mehr als ungewiss, nicht zuletzt auch deshalb, weil Kishida in der China-Politik von den aggressiver werdenden Hardlinern in seiner liberaldemokratischen Partei vermehrt unter Druck gesetzt wird.
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