Die Streikwelle rollt
Von Gudrun Giese
Um den Tag der Arbeit herum wird im kommunalen Sozial- und Erziehungswesen landesweit gestreikt. Am 16. Mai gehen die Tarifverhandlungen für die rund 330.000 Beschäftigten in die dritte Runde. Bisher habe die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) jedes »konkrete Angebot verweigert«, sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle nach der zweiten Runde. Es seien »nicht einmal Ansätze für Kompromisslinien gefunden« worden. Darum hat die Gewerkschaft nun zu bundesweiten Aktionstagen aufgerufen: Am kommenden Montag wird in der Sozialarbeit gestreikt, am Mittwoch folgen Kitas und schulische Ganztagsbetreuung, am Donnerstag die Behindertenhilfe.
Vielerorts gab es in den vergangenen Tagen bereits Warnstreiks. Am Donnerstag legten mehr als 1.600 Beschäftigte in Stuttgart und Ulm ihre Arbeit an Grundschulen, in Kitas und sozialen Einrichtungen nieder. Am Freitag streikten Beschäftigte in Crailsheim, Kupferzell, Schwäbisch Hall, Mainz und Karlsruhe.
Auch in Nordrhein-Westfalen gingen am Donnerstag Tausende auf die Straße. Es gab Kundgebungen in Dortmund, Essen und in Köln. Seit Beginn der Streiks hätten sich in NRW mehr als 20.000 Kolleginnen und Kollegen an Warnstreiks beteiligt, erklärte Verdi-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt. »Es geht um Aufwertung ihres Berufes, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Entlastung im beruflichen Alltag.«
Beschäftigte und Gewerkschaft beklagen seit langem die Überlastung im Arbeitsalltag. Mit Bezug auf das Deutsche Jugendinstitut bezifferte Behle die Zahl der bis 2025 fehlenden Kitafachkräfte auf 300.000. In Sozialarbeit und Behindertenhilfe sei die Situation nicht besser. Um die Personalsituation »jetzt endlich zu verbessern«, sei eine »deutliche Aufwertung« der Berufe nötig. Der drastische Fachkräftemangel habe sich in der Coronakrise zugespitzt, viele hätten ihre Tätigkeit in der sozialen Arbeit aufgegeben. »Der Arbeitsdruck wird in den sozialen Berufen immer stärker.«
VKA-Präsidentin Karin Welge erklärte nach der zweiten Verhandlungsrunde, »dass es keine Verbesserungen mit der Gießkanne im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst geben kann«. Die Vereinigung müsse das Gehaltsgefüge des gesamten kommunalen öffentlichen Dienstes im Blick behalten. Ob sich unter dem Eindruck der Warnstreiks an dieser Haltung etwas geändert hat, wird die dritte Runde der Tarifverhandlungen zeigen.
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