Spuren der Kriegshetze
Von Marc Bebenroth
Die schon vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine befeuerten Ressentiments in der Bevölkerung beschäftigten immer häufiger auch die Polizeibehörden. Seit Beginn am 24. Februar haben diese bereits mehr als 1.700 Straftaten in Zusammenhang mit dem Krieg festgestellt. In mindestens 162 Fällen ging es um Gewaltdelikte, wie die Ergebnisse einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Mediendienstes Integration zeigen. Zu dieser hatten 15 Landes- und das Bundeskriminalamt beigetragen. Angaben aus Mecklenburg-Vorpommern fehlen. Am häufigsten wurde die Polizei demnach wegen Beleidigungen oder Graffiti und anderer Formen der Sachbeschädigung aktiv.
Bundesweit gab es laut Umfrage mindestens 162 Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit der Verwendung des Z-Symbols. Besonders viele dieser Verfahren sind demnach in Niedersachsen (75), Sachsen-Anhalt (29) und Berlin (22) eingeleitet worden. Das Symbol gilt für die Behörden als Zeichen der Zustimmung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Gebrauch muss aber nicht immer affirmativ sein. Von Gegnern der russischen Seite wird das Z auch als Feindmarkierung genutzt.
So in einem am Donnerstag öffentlich gemachten Fall, bei dem Unbekannte auf Fensterscheiben von SPD-Büros in Thüringen das Z-Symbol sprühten. Betroffen waren die SPD-Landesgeschäftsstelle und ein Gemeinschaftsbüro, wie der Landesverband der Sozialdemokraten mitteilte. Das Büro wird auch vom Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), genutzt. Auf die Fenster sei »ZPD« gesprüht worden, an der Landesgeschäftsstelle prangt zusätzlich noch der Schriftzug »#nie wieder«. Thüringens SPD-Chef Georg Maier stellte dazu klar, man lasse sich »weder durch Bedrohungen noch durch solche Angriffe« einschüchtern. Die durch die Markierungen unterstellte prorussische Schlagseite der Partei wies Maier von sich. Die SPD stehe weiter »solidarisch an der Seite der Ukraine«. Die Verwendung des Z-Symbols wird auf Länderebene seit Ende März verfolgt. Ursprünglich diente das der Zensur zum Opfer gefallene Z, in weißer Farbe auf russische Panzer gemalt, wohl dazu, diese von den baugleichen Militärfahrzeugen der ukrainischen Armee unterscheidbar zu machen. Einer Interpretation zufolge steht es als Abkürzung für die Losung »Sa pobedu« (»Für den Sieg«, Z für weiches S). Nach eigenen Anhaben erstattete der SPD-Landesverband Anzeige wegen der Schmierereien, die damit in die Thüringer Polizeistatistik eingehen dürften.
Im Land Berlin wurden laut der Umfrage des Mediendienstes Integration seit dem 24. Februar bis zum 20. April 206 Straftaten mit Bezug zum Krieg erfasst. Die Polizei berichtet demnach von 82 Ermittlungsverfahren »mit vordergründig antirussischer Motivation«. Eine antiukrainische Haltung wird bei 30 Ermittlungsverfahren vermutet. Zudem wurden den Angaben zufolge 13 Ermittlungsverfahren »mit vordergründig antibelarussischer Motivation« eingeleitet. Bei den restlichen sei für die Behörden die Motivation nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen.
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