Energieembargo wird teuer
Von Klaus Fischer
Angeblich befürwortet laut diversen »Umfragen« die Hälfte aller »Deutschen« einen sofortigen Boykott russischer fossiler Brennstoffe. Was das im Ernstfall bedeutet, hat nun am Freitag die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht ein wenig deutlicher gemacht: Eine Eskalation des Konflikts mit Moskau durch einen vollständigen Einfuhrstopp russischer Energieträger könnte die hiesige Wirtschaft in diesem Jahr in eine Rezession stürzen. »Im verschärften Krisenszenario würde das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden Jahr gegenüber dem Jahr 2021 um knapp zwei Prozent zurückgehen«, hieß es laut Nachrichtenagentur dpa in dem am Freitag veröffentlichten Notenbankbericht.
Es wäre kurzfristig kaum möglich, Lieferausfälle aus Russland durch erhöhte Einfuhren aus anderen Förderländern komplett zu ersetzen. Damit dürfte es vor allem bei der Gasversorgung zu Engpässen kommen. Mehr als die Hälfte der Gasimporte in Deutschland stammen aus der Russischen Föderation. Deshalb würden diese Sanktionen auch in den kommenden beiden Jahren die deutsche Wirtschaft belasten und zu Wachstumseinbußen führen, schrieben die Ökonomen der Bundesbank.
Eine rasante Umstellung auf andere Lieferanten – sofern es ausreichend davon gibt – hat einen kapitalismustypischen Effekt: Erhöhte Nachfrage treibt die Preise. Die Inflationsrate dürfte deshalb längere Zeit erheblich höher ausfallen. Doch womöglich haben sich die Bundesbanker auch bemüht, nicht das Worst-Case-Szenario zu publizieren. Denn ihrem Bericht zufolge würde die größte Volkswirtschaft der EU nach den im März erstellten Modellrechnungen in diesem Jahr nicht so stark schrumpfen wie im Coronajahr 2020. Fazit: Corona war (ist) schlimmer als Energienot? Die Bundesbankvolkswirte führen dies auf die »vergleichsweise dynamische Erholungsphase« nach der Coronakrise zurück. Ob beide Ereignisse allerdings vergleichbar in ihrer Auswirkung sind, darf zumindest angezweifelt werden.
Im ersten Coronajahr 2020 war das BIP um 4,6 Prozent eingebrochen. Im vergangenen Jahr fasste die BRD-Wirtschaft wieder etwas Tritt und wuchs laut den Berechnungen der amtlichen Statistiker um 2,9 Prozent. Immerhin wies die Bundesbank darauf hin, dass die Modellrechnungen erheblichen Unsicherheiten unterliegen und die künftige Entwicklung »sowohl über- als auch unterzeichnen« können. Zudem sei das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen des Krieges nach wie vor sehr unsicher und hänge von seinem weiteren Fortgang ab.
Drei Wochen kostenlos lesen
Die Tageszeitung junge Welt stört die Herrschenden bei der Verbreitung ihrer Propaganda. Sie bezieht eine aufklärerische Position ohne Besserwisserei und wirkt durch Argumente, Qualität, Unterhaltsamkeit und Biss.
Überprüfen Sie es jetzt und testen die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) kostenlos. Danach ist Schluss, das Probeabo endet automatisch.
Ähnliche:
- Bernd von Jutrczenka/dpa06.04.2022
Diplomatie war einmal
- Carlos Garcia Rawlins/REUTERS24.08.2019
Abchasien wählt
- Bodo Marks/dpa29.04.2017
»G 20« ganz wie »G 7«
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Die Linke mischt die Karten neu
vom 25.04.2022 -
»Wir treten für die Beendigung des Burgfriedens ein«
vom 25.04.2022 -
Tauziehen um Panzerlieferungen
vom 25.04.2022 -
Gegen rechte Raumnahme
vom 25.04.2022 -
Vonovia Kontra geben
vom 25.04.2022 -
»Die Absage heizt die Russophobie weiter an«
vom 25.04.2022