Wissler auf einmal »linksradikal«
Von Nico Popp
In der Partei Die Linke wird nach dem Rücktritt der Kovorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow über die Neuaufstellung der Parteispitze diskutiert. Insbesondere aus ostdeutschen Landesverbänden wird nun auch öffentlich Druck auf die verbliebene Kovorsitzende Janine Wissler aufgebaut, sich ebenfalls zurückzuziehen. Kurz nach dem Abgang von Hennig-Wellsow hatte der Parteivorstand Wissler am Mittwoch abend gebeten, die Partei vorerst allein zu führen.
Die Thüringer Landtagsabgeordnete Katja Maurer sagte am Freitag dem Portal The Pioneer, Hennig-Wellsow und Wissler seien als »Team« angetreten. Hennig-Wellsow sei dabei »die Pragmatikerin« gewesen und Wissler – so wörtlich – »sozusagen die Linksradikale«, die ein anderes Spektrum habe vertreten sollen. »Und ich glaube, dass Janine Wissler sich natürlich die Frage stellen muss, ob sie jetzt ihre Rolle ohne Susanne Hennig-Wellsow noch erfüllen kann«, sagte Maurer. Der Rücktritt sei »wahrscheinlich eine Konsequenz, die sie gehen könnte«.
Über den Zeitplan und das Verfahren für die vollständige Neuwahl der Parteispitze wird bereits öffentlich diskutiert. Die Linke befinde sich in einer »existenziell schwierigen Situation«, sagte der sächsische Landesvorsitzende Stefan Hartmann am Freitag dem Spiegel. Eine Urwahl der Parteispitze durch die Mitglieder sei »eine gute Möglichkeit, die Partei zusammenzuführen«. Dabei könne es auch »positive Überraschungen« geben. Ähnlich äußerte sich Wulf Gallert, Landtagsvizepräsident in Sachsen-Anhalt und Mitglied des Parteivorstandes. Es stehe nun zwar »die Klärung unserer inhaltlichen Ausrichtung« im Vordergrund, sagte er ebenfalls dem Spiegel. Für die inhaltliche Klärung könne eine Urwahl aber hilfreich sein.
Die Forderung nach einer Urwahl durch die Mitglieder könnte darauf hindeuten, dass sich der rechte Flügel der Partei nicht mehr sicher ist, ob er für seine Kandidaten bei einem Bundesparteitag Mehrheiten organisieren kann. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen dürfte der Parteivorstand am Wochenende fällen.
Hennig-Wellsow war am Mittwoch überraschend zurückgetreten. In einer Erklärung hatte sie geschrieben, dass die Linkspartei eine programmatische »Erneuerung« und einen »Neuanfang« nötig habe. Für den brauche es allerdings »neue Gesichter«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ralf S. aus Gießen (22. April 2022 um 20:38 Uhr)Was für eine lächerliche Logik ist das denn? Warum soll Wissler zurücktreten, nur weil Hennig-Wellsow hingeschmissen hat? Ja, die sind damals als Team angetreten, aber Hennig-Wellsow ist solo abgetreten. Ich bezweifle stark, dass sie Wissler in ihre Entscheidungsfindung überhaupt mit einbezogen hat. Mal ganz abgesehen davon, dass sie ja individuell und nicht im Paket gewählt wurden. Ich gewinne langsam den Eindruck, dass die Leute vom rechten Flügel ihre Ziele dadurch zu verwirklichen versuchen, indem sie Die Linke zielgerichtet zerstören, um sich dann dem linken Flügel der SPD anzuschließen. Den Dienst am Vaterland, eine wenigstens noch halbwegs systemoppositionelle und halbwegs bedeutende linke Partei damit versenkt zu haben, wird ihnen sicherlich mit Pöstchen vergönnt.
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