Indigene gegen Bolsonaro
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
Anlässlich der im Oktober stattfindenden Wahlen haben Tausende Indigene Brasiliens am Mittwoch (Ortszeit) ein zehntägiges Protestcamp in der Hauptstadt Brasília errichtet. Im Aufruf der Vereinigung der Indigenen Völker Brasiliens (APIB) hieß es, dass dieses Jahr das letzte »dieser von Völkermord geprägten brasilianischen Regierung« sein werde. Der Protest soll zeigen, dass die indigenen Völker des Landes bereit sind, für den Schutz ihrer Territorien sowie eine stärkere Vertretung in der brasilianischen Politik zu kämpfen.
Das Datum des bis zum 15. April andauernden Protestcamps wurde aufgrund eines für diese Woche in der Abgeordnetenkammer angesetzten Abstimmung gewählt. Verhandelt wird die Gesetzesinitiative »PL 191/2020«, nach der selbst in bereits staatlich anerkannten Reservaten die Ausbeutung von Bodenschätzen sowie der Bau von Wasserkraftwerken und anderer naturzerstörender Infrastruktur erlaubt werden soll. »Wir sind mit politischen Gesetzesvorhaben konfrontiert, die unser Leben und unsere Traditionen bedrohen.« Die »Verteidigung des Lebens« gegen das Zerstörungsprogramm der Regierung habe für sie deshalb Priorität, hieß es im Aufruf der APIB. Bereits vor seinem Amtsantritt 2019 hatte der ultrarechte Präsident Jair Bolsonaro seinen Verbündeten der Agrar- und Bergbaulobby garantiert, unter seiner Regierung werde kein einziges Indigenenreservat anerkannt. Eines der wenigen Wahlversprechen, die er bis heute – zum Nachteil für Brasiliens Ureinwohner – eingehalten hat.
Die Regierung will das neue Gesetz so rasch wie möglich durchkriegen und begründet dies auch mit dem Ukraine-Krieg. Brasiliens auf Sojaexport ausgerichtetes Agrobusiness ist abhängig von Kali- und Phosphatdüngerimporten. Ein Großteil davon kamen bisher aus Russland und Belarus. Wegen eines drohenden Kalimangels sollen, so Bolsonaro, die bekannten Kalilagerstätten in indigenen Gebieten ausgebeutet werden, um das für die Staatseinnahmen wichtige Agrobusiness zu retten. Umweltschützer und Indigene warnen jedoch, dass das Gesetz das Ende vieler Völker des Landes bedeuten würde.
Unter den Tausenden von Protestierenden, die sich in Brasília versammelt haben, ist auch Elvis Aroerê Tabajara, Sprecher der Tabajara von Serra das Matas im Sertão des nordostbrasilianischen Bundesstaates Céara. Sein Volk wird von der bereits 2008 geplanten Uran- und Phosphatmine Itataia bei Santa Quitéria bedroht, deren Bau aber seither nur schleppend vorankommt. Es geht um die Produktion von jährlich 1.600 Tonnen Urankonzentrat (»Yellow Cake«) und rund eine Million Tonnen Phosphat zur Düngemittelherstellung.
Die Umweltschutzbehörde Ibama hatte ihr 2019 die Lizenz verweigert. Doch auf Druck Bolsonaros hat die Ibama im März dem Bergbauprojekt die Zulassung erteilt. Die etwa 210 Kilometer von Fortaleza entfernte Lagerstätte Itataia befindet sich zwar nicht in einem demarkierten Indigenenreservat, doch die Folgen dieser Tausende von Tonnen radioaktiven Abraum und Abwässer produzierenden Mine könnten weitreichend sein. »Wir sind uns der verschiedenen Risiken bewusst, und eines davon ist die radioaktive Kontamination unseres Landes durch Winde«, sagte Aroerê Tabajara am 11. Februar gegenüber dem Portal der Gewerkschaft ADUFC. Sein Dorf sei nur 30 bis 40 Kilometer von der Mine entfernt, die in dieser trockenen Region zudem pro Stunde etwa 850.000 Liter Wasser verschlingen werde. »Wir bitten um Unterstützung gegen das Projekt Santa Quitéria und zur Verteidigung des Lebens«, so Aroerê Tabajara.
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