Repressive Symbolpolitik
Von Nick Brauns
Immer mehr Bundesländer wollen die Verwendung des Z-Symbols strafrechtlich verfolgen lassen. Das weiße Z, mit dem am Einmarsch in die Ukraine beteiligte russische Militärfahrzeuge gekennzeichnet sind, gilt inzwischen an der Kleidung, auf Autos, als Fahne oder in sozialen Medien als Zeichen der Unterstützung von Moskaus Angriffskrieg.
Nach Bayern und Niedersachsen, die bereits Ende vergangener Woche entsprechende Schritte eingeleitet haben, will auch Berlin gegen das Symbol vorgehen. »Wird der Kontext zum Krieg hergestellt mit der Verwendung des weißen Zs, wie es auf den russischen Militärfahrzeugen zu sehen ist, dann bedeutet das natürlich die Befürwortung des Angriffskriegs«, sagte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) dem Tagesspiegel vom Montag. »Das wäre strafbar, da schreiten wir auch sofort ein.«
Forderungen nach einem Z-Verbot kamen auch von der SPD-Opposition im Stuttgarter Landtag sowie der oppositionellen CDU in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die nordrhein-westfälische Landesregierung kündigte am Sonntag an, strafrechtliche Konsequenzen zu prüfen. »Das Z als Symbol des Putinschen Faschismus sollte deutschlandweit verboten werden«, forderte NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) auf Twitter.
Paragraph 140 StGB
Grundlage einer strafrechtlichen Verfolgung des Z-Symbols durch die Länder ist nach Aussage des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) Paragraph 140 des Strafgesetzbuches (StGB). Wer bestimmte Straftaten in einer Weise billigt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, der wird demnach mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Der Buchstabe an sich könne nicht verboten werden, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag. Ob das öffentliche Billigen eines Angriffskriegs damit strafbar sei, hätten im Einzelfall Gerichte zu klären.
Wofür der lateinische Buchstabe Z bei den russischen Streitkräften steht, bleibt Spekulation. Es bedeute »Za Pobedu« (auf den Sieg), ließ das Moskauer Verteidigungsministerium verlauten. Dabei dürfte es sich um eine nachträgliche Interpretation handeln. Denn im Russischen wird diese Parole nicht mit einem lateinischen, sondern einem kyrillischen Z geschrieben, das der Ziffer 3 ähnelt.
Am wahrscheinlichsten ist, dass das weiße Z ursprünglich nur dazu dienen sollte, die russischen Militärfahrzeuge von den aus gemeinsamen Sowjetzeiten stammenden baugleichen Fahrzeugen der ukrainischen Armee unterscheidbar zu machen. Wie auf der US-amerikanischen Militärplattform sofrep.com zu Kriegsbeginn analysiert wurde, werden mit den Zeichen zudem die Einsatzgebiete markiert. Das Z bezeichnet demnach die in der östlichen Ukraine operierenden Truppenverbände, ein eingerahmtes Z die auf der Krim und ein O die aus Belarus vorstoßenden russischen Truppen, während ein V Marineeinheiten kennzeichnet. Doch nur das Z wurde in Russland zuerst von Künstlern und Journalisten in sozialen Medien und anschließend auch von staatlichen Institutionen aufgegriffen.
Z-Symbole auf Kirchenmauer
Im bayerischen Würzburg wurden in der Nacht zum Sonntag im Stadtteil Heuchelhof, in dem viele Menschen aus der früheren Sowjetunion leben, mehrere große Z auf eine Kirchenmauer gemalt. Die Polizei hat die Ermittlungen wegen Billigung einer Straftat aufgenommen. Fraglich ist allerdings, ob bei Verwendung des Z tatsächlich Paragraph 140 zur Anwendung kommen kann. Dass der Krieg völkerrechtswidrig ist, ist zwar die einhellige Auffassung der Bundesregierung ebensowie der großen Mehrheit in der UN-Vollversammlung. Doch der zuständige Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte am 16. März lediglich mit einer einstweiligen Verfügung das sofortige Ende des russischen Angriffs gefordert, während eine endgültige Entscheidung dieses höchsten UN-Gerichts noch aussteht.
Sollte es tatsächlich aufgrund des Z zu Verurteilungen nach Paragraph 140 StGB kommen, wäre diese Form der Einschränkung der freien Meinungsäußerung wohl ein Novum. So ist nicht bekannt, dass die selbst in Teilen der Linksjugend beliebten Aufkleber und T-Shirts mit Symbolen und Panzern der israelischen Armee als Zeichen der Sympathie für die Bombardierung von Gaza oder der Gruß der faschistischen »Grauen Wölfe« auf Demonstrationen zur Unterstützung des völkerrechtswidrigen Krieges der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien jemals entsprechend verfolgt wurden.
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Nachts um zwei. Ein junger Mann besprüht eine Fassade mit einem Z. Er wird von einem Polizisten überrascht. Es entwickelt sich ein Dialog.
Polizist: "Liegt hier etwa eine staatsgefährdende Straftat vor, Zustimmung zu Putins Krieg?"
Mann: "Keineswegs, Herr Kommissar. Ich bin erst zur Hälfte fertig, das wird ein Hakenkreuz zur Unterstützung unserer Asow-Freunde in der Ukraine."
Polizist: "Entschuldigen Sie die Störung, weitermachen!"