Kiew schaltet gleich
Von Reinhard Lauterbach
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat das Verbot von insgesamt elf Oppositionsparteien verkündet. In einer Videobotschaft aus der Nacht zum Sonntag sagte er, die »Arbeit an der Spaltung der Ukraine« sowie ihrer Kapitulation werde und dürfe keinen Erfolg haben. Unter den verbotenen Parteien ist die »Oppositionsplattform für das Leben«, die zweitstärkste Kraft im Kiewer Parlament, außerdem die Partei des Videobloggers Anatolij Scharij.
Die Oppositionsplattform teilte im Anschluss mit, es handle sich bei dem Verbot um einen Versuch, mit erfundenen Vorwürfen den »Hauptgegner« zu beseitigen. Die Partei rief ihre Abgeordneten auf, die Arbeit fortzusetzen. »Wir werden alle rechtswidrigen Entscheidungen anfechten.«
Der Sicherheitsrat der Ukraine ordnete zudem an, alle Fernsehsender, die Informationsprogramme verbreiten, zu einem einheitlichen Programm unter dem Titel »Ukraine-zusammen-Marathon« zusammenzuschalten. Dort solle eine einheitliche Sichtweise auf das Kriegsgeschehen verbreitet werden. Diese ist von ukrainischer Seite in wachsendem Maße durch offenkundig wild übertriebene Greuelpropaganda gekennzeichnet. So sprach Selenskij in derselben Botschaft von »Leichenbergen russischer Soldaten« vor den ukrainischen Linien, über die das russische Kommando »immer weitere Reserven an die Front werfe«.
Russland hat unterdessen zum Wochenende offenkundig die Taktik seiner Angriffe auf Ziele in der Ukraine geändert. Verstärkt stehen nun Präzisionsangriffe auf militärische Ziele unter Nutzung hochmoderner Waffen im Mittelpunkt. So wurde – neben einem »konventionellen« Bombenangriff auf eine Kaserne in der Hafenstadt Mykolajiw, bei dem am Freitag mindestens 40 Ukrainer starben – am Sonnabend über die Zerstörung eines unterirdischen Raketenlagers in den Karpaten nahe Iwano-Fankiwsk berichtet. Dabei sei eine neue »Kinschal«-Hyperschallrakete zum Einsatz gekommen, wie auch die USA bestätigten.

Was Russland über die Ausgangspunkte der Angriffe mitteilt, soll außerdem den Anspruch auf allseitige strategische Überlegenheit der eigenen Seite unterstreichen. So sei der Raketenangriff auf Wartungshallen am Flughafen von Lwiw am Freitag von Schiffen der Schwarzmeerflotte aus gestartet worden, ebenso am Sonnabend auf eine Panzerreparaturwerkstatt östlich von Kiew. Ein Angriff auf das größte Treibstofflager im Süden bei Mykolajiw soll sogar von Schiffen der Kaspischen Flottille ausgeführt worden sein.
Im Donbass sind in der weitgehend zerstörten Stadt Mariupol Straßenkämpfe im Gang. Der ukrainische Generalstab rief die eigenen Truppen in der Stadt zum »Martyrium« auf. Weiter nördlich sollen die Einheiten der »Volksrepublik Donezk« südwestlich der Stadt einen Durchbruch durch die ukrainischen Linien erzielt haben. Aus verschiedenen Meldungen geht hervor, dass mehrere Dörfer südöstlich von Donezk erobert worden seien. Damit scheint sich die Umgehung und Einschließung der seit Jahren als wichtigster ukrainischer Stützpunkt am westlichen Donezker Stadtrand geltenden Ortschaft Marjinka abzuzeichnen. An der Lugansker Front haben dortige Milizen angeblich die Stadt Rubischne erobert und dringen jetzt in die angrenzende Industriestadt Lyssytschansk vor.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte unterdessen die Haltung der Ukraine in den Verhandlungen um einen Waffenstillstand. Sie sei »am Gängelband der USA« und zu keinen Zugeständnissen bereit.
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Nicht dialog-, nicht friedenswillig
Es ist immer wichtig, nicht nur selbst zu wissen, sondern immer auch laut zu sagen, dass nicht nur ABSTRAKT Kriege die Fortsetzung der Politik mit anderen, blutigen Mitteln und damit selbst POLITIK sind, sondern auch dass DIESER Krieg und meinethalben Angriffskrieg "nur" Fortsetzung (bzw. Ausweitung) "eines anderen", seit 8 Jahren dahin köchelnden Krieges mit bisher 14.000 Toten ist. Es ist eigentlich derselbe - der "linke Leser" hat ihn nur schlicht nicht wahrnehmen wollen. Auch das Kiewer Regime wollte ihm ein Ende setzen, aber in seinem Sinne! Mit seinen besten Truppen aus der gesamten übrigen Ukraine! Damit, mit der Aufkündigung des Minsker Abkommens Nr.2 - übrigens hier in Berlin! - , mit der "heimlichen" NATO-Mitgliedschaft und der Ankündigung Selenskis, nach Atomwaffen zu streben, wurde die Tür zum Frieden zugeschlagen, nicht erst mit der Anerkennung der "Volksrepubliken" und dem russischen Angriff am 24. Februar! Einen solchen Präventivschlag hätte man der UdSSR unter Stalin Mitte Juni 1941 gewünscht...