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Aus: Ausgabe vom 19.04.2021, Seite 10 / Feuilleton
Sachsen-Anhalt

Neue Bleibe

Von Bernhard Spring

In Sachsen-Anhalt implodieren die Mietpreise, doch das ist kein Grund zur Freude. Denn laut aktuellem Mietatlas wird überall da das Wohnen billiger, wo entweder niemand mehr ist oder keiner hinwill. In Halle und Magdeburg hingegen steigen die Mieten, wenn auch nicht so wie in Oberbayern oder im Großraum Hamburg.

Trotzdem ist das Finanzministerium alarmiert, sind sämtliche Ministerien doch in den beiden Großstädten des Landes eingemietet. Wenn die Mietverträge auslaufen, wird der aktuelle Preis von 7,58 Euro pro Quadratmeter wohl kaum zu halten sein. Um Geld zu sparen, tritt das Land deshalb den Weg in Richtung Eigenheim an. Zum einen soll neu gebaut werden, zum anderen werden gemietete Objekte gekauft. Dabei handelt es sich nicht selten um Gebäude, die nach der »Wende« zum Schleuderpreis aus dem öffentlichen Besitz verkauft wurden. So etwa die preußische Kaserne, in der das Bildungsministerium eingerichtet ist. Oder die Magdeburger Reichspost, die vom Justizzentrum angemietet wurde.

Doch egal, ob Neubau, Rückkauf oder künftig erhöhte Mieten: Das Land hat kein Geld übrig. Die letzten Reserven sind für das neue Gefängnis in Halle vorgesehen, immerhin stolze 270 Millionen Euro. Dafür könnte man eine ehemalige Kaserne für 30 Millionen zurückkaufen und ein neues Umweltministerium für 37 Millionen bauen. Mit dem Wechselgeld ließe sich dann locker noch die Reichspost auslösen. Und wer weiß: Vielleicht wäre auch ein vernünftiges Wirtschaftsministerium drin.

Und so stellt sich die Frage, was das Land dringender braucht: ein neues Gefängnis oder neue Ministerien? Doch vielleicht lässt sich beides auch kombinieren. Ob kaserniert oder inhaftiert: Der Unterschied dürfte kaum bemerkbar sein.

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