Kapital wird ungeduldig
Von Simon Zeise
Wenn sich Finanzhaie an Firmen beteiligen, wird es eng für die Belegschaft. Wie Christoph Scheuplein in seiner im Januar in der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten Arbeit »Wie entwickeln sich Unternehmen mit Private-Equity-Eigentümern in Deutschland?« feststellt, belegt die eindeutige Mehrheit der Studien »einen deutlichen Abbau von Arbeitsplätzen nach dem Buyout«. Scheuplein hat 156 Unternehmen untersucht, die 2013 in Deutschland von einer Private-Equity-Gesellschaft übernommen wurden und sie mit Firmen ohne Investorenbeteiligung verglichen.
»Das Engagement ist meist kurzfristig angelegt«, erläutert Scheuplein. »Die Gesellschaften beschaffen Kapital überwiegend über Fonds, in denen institutionelle Investoren und vermögende Privatpersonen ihr Geld anlegen. Die Laufzeit dieser Fonds ist in der Regel begrenzt, in dieser Zeit muss eine möglichst hohe Rendite erzielt werden.« Nach der Veräußerung von Vermögenswerten, dem Abstoßen von vermeintlichen Randbereichen, Outsourcing, Aufspaltung und Stellenabbau würden die Unternehmen häufig weiterverkauft.
Mit dem Einstieg von Private Equity gehe häufig ein Wandel von »geduldigem« zu »ungeduldigem Kapital« einher. Vorher zählten strategische Investoren und Familien zu den wichtigsten Eigentümern. Sie seien in der Regel auf Stabilität bedacht gewesen. Nach ihrem Ausstieg kehrten die Familieneigentümer nicht wieder zurück. Finanzinvestoren etablierten sich dauerhaft als größte Eigentümergruppe.
Die Befunde sind eindeutig: In den ersten zwei Jahren nach dem Einstieg der Investoren sank die Beschäftigung um 6,2 Prozent, vier Jahre nach dem Buyout sogar um 12,8 Prozent. Für die betreffenden Unternehmen verschlechterte sich nach der Filetierung die Eigenkapitalquote um rund drei Prozent. Außerdem nahm ihre Zinsbelastung deutlich zu, während Konzerne ohne Private-Equity-Beteiligung von der Niedrigzinsphase profitieren konnten und ihre Zinsbelastung sank bzw. stabil blieb. »Dies erhöhte auch die Insolvenzquote der Portfoliounternehmen, die doppelt so hoch lag wie bei dem Durchschnitt der deutschen Unternehmen im gleichen Zeitraum«, schreibt Scheuplein. Dieser finanzielle Druck auf die Unternehmen ging einher mit stagnierender Beschäftigung in den ersten beiden Jahren nach dem Buy-out, während die Beschäftigung in den Vergleichsunternehmen aufgrund der akzeptablen Wirtschaftslage expandierte.
Je länger die Fonds ein Unternehmen halten, desto stärker wird es ausgequetscht: Der Personalaufwand verringerte sich in den ersten zwei Jahren nach dem Buy-out um 8,5 Prozent und nach vier Jahren um 15 Prozent.
Auch die neuen Mantelgesellschaften (Special Purpose Acquisition Company, SPAC), mit denen die Spekulanten an der Börse Geld einsammeln, um anschließend Unternehmen zu übernehmen, verheißen nichts Gutes. Laut einer empirischen Untersuchung des Wall Street Journal vom 10. Februar ist der Wert von Firmen, die zwischen Januar 2019 und Juni 2020 von SPACs übernommen wurden, im Schnitt um zwölf Prozent gesunken, während der Aktienindex Nasdaq im Vergleichszeitraum um 30 Prozent stieg.
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