Watschenblatt des Tages: ND – Der Tag
Von Sebastian Carlens
Für Parteien bietet es Vorteile, eine Zeitung zu unterhalten. Man kann damit die Funktionäre instruieren und Leute interviewen, mit denen sonst keiner redet. Und man hat einen Watschenmann für alle Fälle. Diese Wiener Erfindung fürs Pratervergnügen ist laut Definition »eine mannsgroße Puppe zum Abreagieren« – man darf ihr eins auf die Zwölf geben, denn das ist ihr Daseinszweck.
Der Wiener hat den Watschenmann, Die Linke das ND. Dort hatte Matti Steinitz Anfang Februar einen Beschluss des Linke-Parteivorstandes, sich für die »Demokratisierung« Kubas und für »kritische Künstlerinnen und Künstler« einzusetzen, als »guten Tabubruch« bezeichnet. Der Kolumnist kennt Künstler dieses Schlags – vom »Movimiento San Isidro« (MSI), das aus den USA finanziert wird. In der Tat, das war ein Tabubruch, nur haben sich Parteivorstand und Chefredaktion verrechnet, wie Basis und ND-Leserschaft reagieren: nicht sonderlich zustimmend nämlich. Ein zweiter Parteibeschluss vom Montag, der in der Sache nichts zurücknimmt, stellt das ND nun als Verantwortlichen für das Mißverständnis mit dem MSI hin, das »in einigen Medien kolportiert« worden sei.
Dabei hatte Herr Steinitz die Sache ganz richtig, also interventionistisch, verstanden. Jetzt ist er, so das ND, »enttäuscht«. Seine Stichwortgeberin – eine exilkubanische Bloggerin, mit der Steinitz an der Uni Bielefeld eine Art Zitierkartell betreibt – durfte am Dienstag im ND nachlegen, dass man zu Kuba gefälligst zu schweigen habe, wenn man im »Sessel im Harz oder im Schwarzwald sitzt«.
Wer weiß schon, von woher überall böse Leserbriefe beim ND eingetroffen sind. Manchmal verstehen Leute aus Harz und Schwarzwald eben mehr von internationaler Solidarität als solche von der Uni Bielefeld. Oder aus einer Redaktion am Berliner Franz-Mehring-Platz, die sich des Namens der eigenen Zeitung schämt und für die die Leserschaft keine ernstzunehmende Größe mehr ist.
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Wolfgang Frotscher, Cuba-Sí-Regionalgruppe Frankfurt (Oder): Nahrung für Politikverdrossene Zum Kuba-Beschluss des Parteivorstandes: 1. Die Parteiführung sollte selbstkritisch mit der eigenen Arbeit umgehen und nicht aufgrund eigener Fehler die Schuld bei anderen suchen und ihnen unterstell...
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Kriegskurs bestätigt
vom 17.02.2021
Debatte
Tja, selbst wenn man in »Hintertupfingen« wohnt, kann man sich für lateinamerikanische Geschichte interessieren, Marx und Engels gelesen haben, vor jeweiligem Ort gewesen sein, ist es möglich, sich zu fragen: »Wer profitiert von diesem ›Tabubruch‹?« Und man kann »den Fluss des Geldes« verfolgen.
Seit den 90ern, also nach der »Wende«, staune ich als »linke Wessi« über dieses Phänomen, dass ausgerechnet immer mehr ehemalige DDR-ler sich von der Kuba-Solidarität abwenden – vielleicht nur, weil diese »staatlich verordnet« war?
Endlich "durften" sie ausscheren? Oder war es für sie nur eine wohlfeile Eintrittskarte in das westliche Establishment?
Keine Staatsregierung, keine Partei hat immer Recht. Das ist eine Binsenweisheit.
Was jedoch hindert sie, die Fakten selber zu überprüfen?
Kulturhäuser, Jugendklubs, Theater, Galerien, Konzerte, Museen, Kinos – alles wurde 1990 entweder geschlossen oder schweineteuer. – Das Kulturelle der DDR endete in einer Schnelle, die nicht nachvollziehbar ist. Ohne Frage gab es in der DDR eine viel besser entwickelte künstlerische Gegenwart, die staatlich finanziert wurde – auch bis in die Kritik.
Spannend: Wie sinnvoll sind Zusammenhänge mit seltsamen Gestalten wie Nawalny oder Guaidó, wenn sie sich nach kurzer Zeit als Luftnummern herausstellen? Vielleicht braucht die EU diese unsinnigen Zusagen in Zukunft nicht?