FU attackiert Personalrat
Von Pascal Richter
Der Gesamtpersonalrat der Freien Universität Berlin (FU) muss sich am heutigen Dienstag gegen eine krankheitsbedingte Kündigung eines Personalrats vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wehren. Zwar hatte sich laut einer Mitteilung der Verdi-Betriebsgruppe der FU vom 11. Februar das Verwaltungsgericht Berlin im Juni 2020 gegen die Kündigung ausgesprochen. FU-Kanzlerin Andrea Bör und das Unipräsidium betrieben trotz Schlichtungsversuchen der Gewerkschaft die Sache weiter.
Die Betriebsgruppe von Verdi betrachtet das als einen (weiteren) Angriff auf die Mitbestimmung an der FU. Es habe seit 2012 keine krankheitsbedingte Kündigung mit Ausnahme des vorliegenden Falls gegeben. Ohnehin stemmten sich die gewählten Gremien gegen eine ganze Reihe von personalratsfeindlichen Handlungen der FU-Führung. So habe laut Betriebsgruppe das Präsidium Anfang Dezember 2020 den Personalrat Dahlem – er vertritt alle FU-Beschäftigten außer den studentischen Mitarbeitern und denen der Zentraleinrichtung Botanischer Garten – unmittelbar nach dessen Wahl und inmitten des Shutdowns in vollkommen unzureichende, zu kleine Räumlichkeiten umquartiert. Mehrere der freigestellten sechs Personalräte sowie die Auszubildendenvertretung hatten deshalb keine Büroarbeitsplätze zur Verfügung. Es sei nicht einmal ein funktionierender Drucker und ein Netzwerkanschluss vorhanden gewesen. Der Personalrat, zuständig für über 4.500 Beschäftigte, sei gezwungen gewesen, seine diesbezüglichen Rechte vor dem Verwaltungsgericht einzuklagen.
Das aggressive Agieren betrachten nicht wenige Gewerkschafter als Retourkutsche des FU-Präsidiums für die Ergebnisse der vorangegangenen Personalratswahl. »Arbeitgebernahe« vorherige Mitglieder des Personalrats Dahlem traten dabei unter dem Namen »Eure Liste« gegen die offene Verdi-Liste für den Gesamtpersonalrat an – und unterlagen. Auf »Eure Liste« befanden sich zum größten Teil Führungskräfte und Akteure in leitenden Funktionen, monierte die Verdi-Betriebsgruppe in ihrem Wahlkampfblog. Darunter die ehemalige Vorsitzende des Personalrats Dahlem. Ein Beschäftigter, der ungenannt bleiben möchte, erklärt gegenüber jW: »Es gibt viele Beschwerden über zu niedrige Eingruppierungen, die beim vorherigen Personalrat kein Gehör fanden. Das quittierten die Beschäftigten an der Wahlurne: Sie wählten mit einer deutlich höheren Beteiligung als in den zurückliegenden Jahren die offene Verdi-Liste in den Gesamtpersonalrat sowie in die beiden örtlichen Gremien Dahlem und Botanischer Garten.«
Daraufhin habe die Kanzlerin den Druck sogleich erhöht – und ohne vorherige Rücksprache mit der neuen Personalvertretung kurzfristig mehrere bewährte Dienstvereinbarungen (DV) zur Arbeitszeitgestaltung gekündigt. Jana Seppelt, zuständige Gewerkschaftssekretärin von Verdi erklärte dazu gegenüber jW: »Das Präsidium versucht im Moment, den Ausnahmezustand der Coronapandemie zu nutzen, um schnellstmöglich eine neue Dienstvereinbarung durchzuboxen. Das ist ein absolutes No-Go. Die Freie Universität sollte endlich den Kriegspfad verlassen.«
Sylvia Bayram von der »Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht« erklärt gegenüber dieser Zeitung: »Wir werden den Umgang mit den Personalräten an der FU weiter kritisch und öffentlichkeitswirksam begleiten.« Steuergelder sollten zum Schutz und nicht für die Bekämpfung demokratisch gewählter Gremien eingesetzt werden, sagte sie weiter. »Uns liegen Informationen vor, dass in derselben Woche, in der die FU vor Gericht die Kündigung des erwähnten Personalrats vorantreibt, in der Sitzung des Akademischen Senats ein Antrag abgestimmt werden soll, der hochdotierten Professoren Coronaprämien im Umfang von 250.000 Euro allein im Jahr 2021 garantieren könnte.«
Wer fürchtet sich eigentlich vor wem?
Polizei vor Kiezkneipen- oder Waldschützern, Instagram vor linken Bloggern, Geheimdienste vor Antifaschisten? Oder eher andersherum? Die Tageszeitung junge Welt entlarvt jeden Tag die herrschenden Verhältnisse, benennt Profiteure und Unterlegene, macht Ursachen und Zusammenhänge verständlich.
Unverbindlich und kostenlos lässt sich die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) probelesen. Abbestellen nicht nötig, das Probeabo endet automatisch.
Ähnliche:
- picture alliance/dpa-Zentralbild14.11.2020
Rote Verbände
- ver.di/Astrid Sauermann15.09.2020
Weltlicher Konflikt
- Wolfgang Kumm/dpa14.08.2020
Punktsieger Beschäftigte
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Rufe nach »Öffnungsstrategie«
vom 16.02.2021 -
Regelung mit Vorbildcharakter
vom 16.02.2021 -
Den entfesselten Raubtierkapitalismus Gassi führen
vom 16.02.2021 -
Opel will Betriebsrenten kürzen
vom 16.02.2021