Finanzierter Protest
Von Volker Hermsdorf
Eine Woche nach dem Protest angeblicher Künstler vor dem Kulturministerium in Havanna verdichten sich Hinweise darauf, dass die Aktion am 27. Januar von Anfang an als Auftritt für die Medien geplant war und zumindest ein Teil der 22 dort anwesenden Systemgegner dafür bezahlt worden ist. Allein neun Teilnehmer waren im Auftrag »unabhängiger Medien« dort, die von US-Behörden und -Diensten finanziert werden. Unter den restlichen 13 weist nur ein Teil eine Biografie als »Künstler« auf. Trotzdem verbreitete im Anschluss die rechte »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte« (IGFM) in seltener Übereinstimmung mit der Tageszeitung ND – der Tag, es habe »Repression«, »Übergriffe«, »Gewalt« und »Unterdrückung« gegen ein »Bündnis aus Künstlern und Intellektuellen«, »Bürgerrechtlern« und »jungen Menschenrechtlern« gegeben. Der Vorstand der Partei Die Linke übernahm diese Version anscheinend ungeprüft und erklärte in einem mittlerweile heftig kritisierten Beschluss vom 23. Januar: »Wir treten ein für eine Fortsetzung des Dialogs in Kuba mit kritischen Künstlerinnen und Künstlern sowie Aktivistinnen und Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft.«
Genau das, eine Beteiligung an dem seit zwei Monaten geführten Dialog zwischen dem Kulturministerium (Mincult) und Hunderten von Künstlern aller Bereiche und aus allen Teilen des Landes, hatte die kleine Gruppe Protestierender am Mittwoch vergangener Woche jedoch abgelehnt. Die meisten von ihnen waren aus anderen Gründen gekommen, einige von Auftraggebern aus dem Ausland dort hinbeordert worden. So schrieb Nelson Julio Álvarez Mairata, ein kubanischer Zuarbeiter des in Florida herausgegebenen Onlineportals ADN Cuba, am 30. Januar im Contrablog »Tremenda Nota«, dass ihn die ADN Cuba-Direktorin »am Morgen des 27. Januar anrief, um über einen weiteren Protest vor dem Mincult« zu informieren. »Mehrere meiner Kollegen hatten sich schon auf den Weg gemacht«, berichtete der sich »unabhängig« nennende Reporter.
Vor Ort habe er mit der in Miami lebenden ADN-Redakteurin Yaima Pardo dann darüber gesprochen, »wie und zu welcher Zeit« die Liveaufnahmen gedreht werden sollten, erklärte Álvarez in einem auf Facebook geposteten Video. Er gestand auch, Geld für die Teilnahme an der Aktion erhalten zu haben. »Mein Honorar für die Arbeit betrug an diesem Tag ungefähr zwischen 150 und 200 US-Dollar«, sagte Álvarez. Wie ADN ihm das Geld schicke, verschwieg er. »Ich weiß nur, dass eine Person mir das Geld ins Haus bringt. Es ist nie dieselbe; ich meine, ich weiß nicht, ob es eine Agentur ist … Ich weiß, dass es einfach jemand ist, der eines Tages an meine Tür klopft oder mich anruft und mir das Geld gibt«, erklärte Álvarez. Sein ebenfalls zu der Aktion beorderter »Kollege« Mauricio Mendoza, dessen Handy Kulturminister Alpidio Alonso zur Seite gestoßen hatte, als er es diesem direkt vors Gesicht hielt, wird von Diario de Cuba bezahlt, einer von Contras in Madrid herausgegebenen Onlinezeitung.
Was auf die jungen Systemgegner wie eine fürstliche Entlohnung wirkt, sind jedoch Peanuts, gemessen an den Beträgen, die diese »unabhängigen Medien« aus der US-Staatskasse erhalten. Wie der US-Journalist Tracey Eaton am 12. Oktober in seinem Blog »Cuba Money Projekt« berichtete, wurde ADN Cuba im vergangenen Jahr durch die dem US-Außenministerium unterstehende Agentur für Internationale Entwicklung (USAID) mit 410.710 US-Dollar gefördert. Diario de Cuba erhielt – laut Eatons Recherchen – in den vergangenen zwei Jahren 675.398 US-Dollar durch die vom US-Kongress finanzierte Stiftung »National Endowment for Democracy«.
Propaganda für die US-Blockadepolitik ist für die Betreiber derartiger Portale ein lukratives Geschäft. Wie Eaton weiter herausfand, machte Washington im Zusammenhang mit den seit November verstärkten Aktionen der sich als »Künstler« bezeichnenden »San-Isidro-Bewegung« zusätzliche Gelder locker. Am 24. November stellte das State Department bis zu eine Million US-Dollar für neue Programme zur Verfügung. Deren Ziel sei es, »die Kapazität unabhängiger zivilgesellschaftlicher Gruppen in Kuba zu stärken, bürgerliche und politische Rechte auf der Insel zu fördern und die Rechenschaftspflicht kubanischer Beamter für Menschenrechtsverletzungen zu erhöhen«.
In der Serie Solidarität mit Kuba
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Die Linke hat das Problem schon lange: Zwar lassen viele Wählerinnen und Wähler (und nicht wenige Mitglieder der Parteibasis) vieles mit sich machen, aber wenn es um die Themen Krieg und Frieden, die Haltung zu Russland und zur internationalen Solidarität vor allem mit Kuba geht, wird dort oft eine klare Positionierung gefordert: Nie wieder Krieg! Klare Kante gegen die Verteufelung und Verächtlichmachung der Russen! Politische Solidarität mit dem sozialistischen Kuba!
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Olivera und Peter Götz: Abrutschen in Bedeutungslosigkeit Wir sind nicht der Meinung, dass der Vorstand der Partei Die Linke eine unüberprüfte Version bezüglich der »Künstlerproteste in Havanna« übernommen habe, wie jW berichtet. Vielmehr drängt sich der Ein...
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Debatte
Selten wird das demokratie- und emanzipationsfeindliche Wirken von Organisationen wie USAID und NED im Dienste der US-Außenpolitik so deutlich wie in dieser Beschreibung der Torpedierung der jüngsten seitens der kubanischen Regierung angestrebten Dialoge mit den Künstlern des Landes.
Das Erfolgsrezept: Man halte die Masse der Bevölkerung durch Handelsblockaden in Armut und Bedürftigkeit, diffamiere die Bestrebungen der vom Volk gewählten jeweiligen Regierung und finde dann um so leichter einige subversionsbereite Mitglieder der Bevölkerung vor Ort sowie im revanchistisch dominierten Miami und Umgebung.
Und selbst Vertreter von Die Linke scheinen dieses seit Jahrzehnten bis heute funktionierende Spiel nicht zu durchschauen und nicht zu begreifen, dass sie mit ihrer Konzessionsbereitschaft an die heuchlerische Argumentation der US-Außenpolitik zur Beeinträchtigung der Freiheit des kubanischen Volkes beitragen.
Josie Michel-Brüning, Wolfsburg