Brandbeschleuniger
Von Philipp Metzger
Bei der Pressekonferenz der staatlichen Förderbank »Kreditanstalt für Wiederaufbau« (KfW) am Dienstag in Frankfurt am Main lobte man sich selbst. Die Bank habe im Coronakrisenjahr 2020 so viele Kredite vergeben wie nie. Das Fördervolumen sei gegenüber dem Vorjahr um 75 Prozent auf den historischen Höchstwert von 135,3 Milliarden Euro gestiegen. »Nie zuvor waren wir als Förderbank auf diese Weise gefordert«, sagte Vorstandschef Günther Bräunig. Mit mehr als 50 Milliarden Euro habe die KfW Unternehmen, Startups, Studierende und gemeinnützige Organisationen in Deutschland sowie Partner in Entwicklungs- und Schwellenländern im Kampf gegen die Folgen der Pandemie unterstützt. Allein in Deutschland sagte die KfW im vergangenen Jahr rund eine Million Kredite, Zuschüsse und andere Finanzierungen in Höhe von insgesamt 106,4 Milliarden Euro zu.
»Glatte Lüge«
Die KfW verwies stolz auf ihre angeblichen Erfolge. In der Pressemitteilung hieß es: »Der Förderschwerpunkt Bildung erzielte Zusagen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro (2019: 1,9 Milliarden Euro). Der deutliche Anstieg im Vergleich zum Vorjahr basierte vor allem auf Produktanpassungen im KfW-Studienkredit als Coronahilfsmaßnahme (Nullzins und Erweiterung des Antragstellerkreises).«
Gegenüber jW bezeichnete Andreas Keller, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), das als »eine glatte Lüge. Die Kredite seien nur bis Ende 2021 zinsfrei. Danach werden marktübliche Zinsen berechnet – auch für das bis dahin aufgenommene Darlehen. »Die Kredite sind dann teilweise teurer als bei normalen Banken«, sagte Keller. Für das gestiegene Darlehensvolumen auf 2,5 Milliarden Euro hat der Gewerkschafter auch eine Erklärung: »Es gibt einen Run auf die Kredite. Das liegt daran, dass es nur eine halbherzige Überbrückungshilfe der Bundesregierung gibt.« Maximal 500 Euro könnten monatlich in einem sehr bürokratischen Verfahren beantragt werden. »Viele Studierende gehen leer aus, obwohl sie in Not sind, weil sie ihre Jobs verloren haben und kein BAföG bekommen. Das treibt die Studierenden in die Arme der KfW Bank.« Keller fordert deshalb sowohl »wirksame staatliche Soforthilfe als auch eine umfassende Reform der Ausbildungsförderung«. Für das Eigenlob der KfW hat der Gewerkschafter offensichtlich wenig Verständnis und verweist darauf, dass die steigende Kreditaufnahme auch ohne Coronakrise schon ein Problem für die Studierenden ist: »Sie verschulden sich, und dieser Schuldenberg muss später auch zurückbezahlt werden. Das schreckt viele davon ab, überhaupt ein Studium zu beginnen, weil sich herumgesprochen hat, dass die Belastung enorm ist und es keine verlässliche Studienfinanzierung gibt.« Oder, anders formuliert: Der Klassencharakter des Bildungssystems verfestigt sich durch die Coronakrise.
Auch die Kulturindustrie ist wirtschaftlich schwer von der Coronakrise getroffen. Sie braucht zwar dringend die versprochenen Kredite, aber die kommen nicht an. Der Mitgründer des Aktionsbündnisses »Alarmstufe Rot« der Kultur- und Veranstaltungsbranche, Tom Koperek, greift die Bundesregierung scharf an. Die überwiegende Mehrheit der Kulturschaffenden habe seit drei Monaten noch keine Novemberhilfen von der Bundesregierung erhalten. »Wir sprechen bei uns intern nicht mehr von Novemberhilfe, sondern von Osterhilfe«, da das Osterfest zeitlich mittlerweile näher liegt als der 1. November, sagte Koperek am 29. Januar dem Mannheimer Morgen.
Mehr Investitionen nötig
Die Hans-Böckler-Stiftung bemerkte in einer Pressemitteilung am 5. Januar, dass Kredite allein nicht ausreichen würden, um die Krise zu bewältigen und kritisiert in diesem Zusammenhang die »schwarze Null«: »Die zur Bekämpfung der Coronakrise aufgenommene höhere Staatsverschuldung ist kein Hindernis für verstärkte Zukunftsinvestitionen, diese sollten vielmehr absolute Priorität haben gegenüber einer forcierten Rückzahlung der Kredite.«
Statt sich selbst zu loben, stände es der KfW besser an, die Unzulänglichkeiten des eigenen Handelns bei Bewältigung der Krise zu thematisieren. Aber wahrscheinlich wird man sich auch bei der nächsten Pressekonferenz weiter auf die Schulter klopfen.
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