Prinzip Anbiederung
Von Ellen Brombacher
Die heutige Situation, so Matthias Höhn – sicherheitspolitischer Sprecher der Partei – in seinem Anfang der Woche verbreiteten Diskussionspapier, sei kaum vergleichbar »mit 2007, als sich Die Linke gründete, oder mit 2011, als sie ihr bis heute geltendes Programm formulierte«. Mit solch einer Pseudobegründung will er vor dem Wahlparteitag der Linken im Juni 2021 jene Positionen in der Partei durchsetzungsfähig machen, die die friedenspolitischen Grundsätze des Parteiprogramms neutralisieren sollen. Es geht um ein die BRD-Staatsräson akzeptierendes Wahlprogramm und letztlich um eine »rot-rot-grüne« Koalition im Bund.
Die Quintessenz des Höhn-Papiers lässt sich so beschreiben: Es gibt keinen Hauptverantwortlichen für die stetig schlechter werdende internationale Lage. Alle sind schuld. Somit, so der Autor, genüge altes Blockdenken schon lange nicht mehr. Es würde höchste Zeit, dass Die Linke Antworten finde, die jenseits ausgedienter Freund-Feind-Bilder zu finden sind. Das Bild von der NATO – ausgedient? Das Bild vom US-Imperialismus – ausgedient? Das Bild deutscher Friedensverantwortung nach zwei im Interesse des deutschen Kapitals entfesselten Kriegen – ausgedient? Anstelle dessen das Bild von der Äquidistanz.
Die Militärbudgets der NATO, so Höhn korrekt, betrügen 2019 zusammen 1.040 Milliarden Dollar. Länder wie China, Russland oder Indien hätten jedoch in den vergangenen Jahren teils massiv nachgezogen. Russland hat also mit rund acht Prozent und China mit circa 25 Prozent der Rüstungsausgaben im Vergleich zur NATO massiv nachgezogen?
»Wichtige Pfeiler internationaler Rüstungskontrolle kamen ins Wanken oder sind bereits eingerissen«, schreibt Höhn. Für ihn scheint es unerheblich, dass die Kündigungen von Kontrollabkommen ausnahmslos von den USA ausgingen.
Statt zuvorderst für vernünftige, friedliche Beziehungen zu Russland und China zu plädieren, plädiert Höhn dafür, dass Die Linke »sich ernsthaft über Ziele und Mittel einer europäischen Sicherheitspolitik« verständigt. Dazu gehörte in letzter Konsequenz auch die Abgabe der alleinigen nationalen Hoheit über das Militär. Das hieße: Die Linke müsste sich im Bundestag dann nicht mehr zu Bundeswehreinsätzen verhalten. Auch der seit einem Vierteljahrhundert schwelende Streit um die Einzelfallprüfung wäre schlagartig beendet. Vergleichbares gilt für seine Forderung nach Zustimmung unserer Partei zu Auslandseinsätzen im Rahmen der UNO.
Höhn will eine andere Partei. Nicht nur bei Kommunistinnen und Kommunisten stößt er damit auf unerbittlichen Widerstand. Kochef Bernd Riexinger gibt die Stimmung an der Parteibasis wieder, wenn er sagt, Die Linke habe keinen Grund, ihre friedenspolitischen Prinzipien in Frage zu stellen. Für eine sich als sozialistisch verstehende Partei sind Höhns Vorschläge so unannehmbar, wie es für Karl Liebknecht die Zustimmung zu Kriegskrediten war.
Ellen Brombacher ist eine der Sprecherinnen des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform in der Partei Die Linke
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Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Jürgen Llloyd, Krefeld: Kleiner Schönheitsfehler Ellen Brombacher bringt es dankenswerterweise – fast – auf den Punkt, wenn sie über die Frage schreibt, ob die Anbiederung an das NATO-Kriegsbündnis durch den sicherheitspolitischen Sprecher der Bunde...
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Debatte
für mich sieht es so aus, als wäre der Herr Höhn Euer Angestellter.
Kündigt dem einfach.
Herzliche Grüße,
René Bartsch