Washingtons Türsteher
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
Nach dem Aufbruch einer sogenannten Flüchtlingskarawane aus Honduras hat der rechte Präsident des Nachbarlands Guatemala, Alejandro Giammattei, am Donnerstag (Ortszeit) in sieben Departamentos strenge Beschränkungen erlassen. Das Dekret 1-2021, das für die Dauer von 15 Tagen beschlossen wurde, soll durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit verhindern, dass die guatemaltekische Bevölkerung den Menschen auf ihrem Weg durch das Land Hilfe leistet, wie der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur berichtete. Frühere Karawanen hatten große Solidarität in der Bevölkerung hervorgerufen.
Giammattei begründete die Maßnahme damit, eine weitere Verbreitung des Coronavirus verhindern zu wollen – und bediente damit ein rassistisches Narrativ, das gerade Arme und Migranten für die Pandemie verantwortlich macht. Mit Hilfe von 16 Kontrollpunkten im Land, an denen Mitarbeiter des Migrationsministeriums, aber auch Polizei- und Militärkräfte stationiert wurden, sollen die Flüchtlinge an ihrer Durchreise gehindert werden, erklärten die zuständigen Behörden.
Am Mittwoch abend hatten sich Hunderte Männer, Frauen und Kinder aus San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt in Honduras, aufgemacht. Ihr Ziel ist es, über Guatemala und Mexiko die Südgrenze der USA zu erreichen. »Wir gehen, weil wir alles verloren haben, erst durch die Pandemie, dann durch die Wirbelstürme Eta und Iota«, begründete eine namentlich nicht genannte Frau gegenüber der Lokalpresse ihren Entschluss zur Flucht. Am Freitag berichtete Telesur von einer weiteren Gruppe, die sich auf den Weg gemacht habe.
In seinem jährlichen Bericht schätzte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) im Dezember 2020, dass im vergangenen Jahr in Zentralamerika insgesamt eine Million Menschen zur Flucht gezwungen war. Grund war in erster Linie die Bedrohung durch kriminelle Banden, die Pandemie sowie die heftigen Wirbelstürme verschärften die Situation vieler zusätzlich.
Um sich auf dem gefährlichen Weg in Richtung USA besser schützen zu können und keine hohen Summen an Schlepperbanden zahlen zu müssen, hatten sich im Oktober 2018 erstmals Menschen aus Honduras über soziale Netzwerke verabredet, um sich gemeinsam auf den Weg Richtung Norden zu machen. Der Karawane schlossen sich zahlreiche Personen aus Guatemala und El Salvador an. Die kollektive Flucht vor Gewalt und Armut rief ein großes Medienecho sowie Solidarität in der lokalen Bevölkerung hervor. 2018 und 2019 folgten weitere Karawanen, deren Teilnehmern teilweise in Mexiko Asyl gewährt und eine Arbeitserlaubnis erteilt wurde. Der Ausbruch der Pandemie führte zunächst zu einem Abflauen der Fluchtbewegungen. Im vergangenen Oktober machten sich jedoch wieder einige hundert Menschen aus Honduras auf den Weg, wurden allerdings schon an der Grenze zu Guatemala gestoppt.
Dass die nun aufgebrochene Karawane erfolgreicher sein wird, ist unwahrscheinlich. Am Donnerstag warnte die scheidende US-Regierung von Präsident Donald Trump die Flüchtlinge, nicht ihre »Zeit und ihr Geld zu verschwenden«. Bereits in der vergangenen Woche hatte der Leiter der US-Zoll- und Grenzbehörde, Mark Morgan, betont, dass auch unter der neuen Regierung von Joseph Biden keine Kehrtwende in der Migrationspolitik zu erwarten sei. Unterdessen entsandte die mexikanische Regierung 500 zusätzliche Einsatzkräfte in die Bundesstaaten Chiapas und Tabasco, die an Guatemala grenzen.
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