Gusner, Bergmann, Jordan, Simon
Von Jegor Jublimov
Im Jahresendprogramm lief mit dem Märchenfilm »Das blaue Licht« wieder ein Film von Iris Gusner im Fernsehen. Dass der Russe Viktor Semjonow den Bauern Hans spielte, hängt mit der besonderen Affinität der Regisseurin zum sowjetischen Film zusammen. Die in Oberschlesien und Leipzig aufgewachsene Filmemacherin hatte in den 60er Jahren an der Moskauer Filmhochschule WGIK bei Michail Romm studiert, wo erste kurze Arbeiten entstanden. »Das blaue Licht« galt 1976 zu Unrecht als ihr Spielfilmdebüt. Schon 1973 hatte sie den Gegenwartsfilm »Die Taube auf dem Dach« um eine Bauleiterin (Heidemarie Wenzel) zwischen Arbeit und Privatleben gedreht, der Fragen an den Sozialismus aufwarf. Da er auch stilistisch neue Wege beschritt und nicht in die althergebrachten Schubladen passte, wurde er bis 1990 »auf Eis« gelegt. Gusners größter Erfolg bei Presse und Publikum wurde 1980 »Alle meine Mädchen« über eine Brigade von Arbeiterinnen im Berliner Glühlampenwerk, die sich anlässlich von Filmaufnahmen Gedanken über ihr Leben machen. Immer standen bei Gusner starke Frauen im Mittelpunkt, so auch in »Kaskade rückwärts« (1983/84), der auf erfrischend ironische Weise verschiedene Stilmittel vermischt. Am Sonnabend wird Iris Gusner, die auch als Buchautorin hervortrat, 80 Jahre alt.
In der 70-mm-Koproduktion zwischen DDR und SU, »Goya«, war Gusner Konrad Wolfs Regieassistentin. Hier arbeitete sie mit Wolfs ständigem Kameramann Werner Bergmann zusammen. Für ein Dutzend Spielfilme waren Wolf und Bergmann unzertrennlich, obwohl sie im Zweiten Weltkrieg auf verschiedenen Seiten der Front gestanden hatten. Wolf kämpfte in der Sowjetarmee, während der bei Bautzen geborene und in Dresden aufgewachsene Bergmann blutjung als Frontkameramann für die Naziwochenschau arbeitete. Der gefährliche Einsatz kostete ihn mit 22 Jahren einen Arm. Trotzdem konnte er seine Filmarbeit im Dresdener Studio wieder aufnehmen und wechselte in den 50er Jahren nach Berlin. Er drehte auch mit anderen Regisseuren, aber die wesentlichen Arbeiten entstanden mit Konrad Wolf. »Der geteilte Himmel« (1963) nach Christa Wolfs Roman und »Ich war neunzehn« nach Konrad Wolfs Erlebnissen dürfen wegen ihrer ausgefeilten Bildsprache neben anderen Meisterwerken als Höhepunkte gelten. Werner Bergmann starb 1990 im 70. Lebensjahr nach einem Unfall. Am Donnerstag begehen wir seinen 100. Geburtstag.
Anders als Bergmann sah Günter Jordan, der am Sonntag seinen 80. feiern kann, seine Erfüllung in der Dokumentararbeit. Gerade für Kinder drehte er Filme, die helfen sollten, die Welt besser zu verstehen. Ein besonders schöner, programmfüllender war »Berlin – Auguststraße« von 1979/80, der eine Schulklasse aus Berlins Mitte monatelang begleitete. Publizistisch hatte er sich schon immer zu Wort gemeldet, aber seit den 90er Jahren hat er in Büchern und Aufsätzen (auch in jW) unschätzbare Rechercheergebnisse zur Filmgeschichte der DDR veröffentlicht, beispielsweise zur Arbeit des weltbekannten Niederländers Joris Ivens bei der Defa.
Als einziger DDR-Regisseur, der je einen Goldenen Bären bei den (West-)Berliner Filmfestspielen gewann, darf Rainer Simon nach wie vor gefeiert werden. Er wurde am Montag 80 und erhielt die Auszeichnung für die Leonard-Frank-Adaption »Die Frau und der Fremde« 1985. Wegen seiner gesellschaftskritischen Filme (oft genug in der Legende angesiedelt, wie »Till Eulenspiegel«, 1975, »Zünd an, es kommt die Feuerwehr«, 1979, und »Das Luftschiff«, 1983) musste er immer raffinierter arbeiten, um seine Aussage zur Gegenwart zu vermitteln – so 1985 zur Kriegsproblematik, die damals durch das sowjetische Eingreifen in Afghanistan aktuell war. Als er 1988/89 auf Humboldts Spuren den Defa-Film »Die Besteigung des Chimborazo« drehte, war er fasziniert von der indigenen Kulturen in Lateinamerika und führte in den 90er Jahren Workshops in lateinamerikanischen Ländern durch. Über sie drehte er Dokumentarfilme, veröffentlichte Bücher und erarbeitete Fotoausstellungen, um unser Verständnis für sie zu erhöhen.
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