Legalisierungen gegen Pandemie
Von Thomas Berger
Thailands Regierung wartete zum Jahreswechsel mit einer Nachricht auf, die zu anderen Zeiten nur schwer vorstellbar wäre: Alle Arbeitsmigranten aus den ärmeren Nachbarländern Myanmar, Laos und Kambodscha, die sich Ende Dezember formell illegal im Land aufhielten, können nun für zwei Jahre ihren Aufenthaltsstatus legalisieren, so eine Kabinettsentscheidung. Am 25. Januar beginnt die bis zum 13. Februar laufende Frist mit der Möglichkeit, sich registrieren zu lassen. Wer davon Gebrauch macht, bekommt einen Aufenthaltsstiel bis zum 16. Februar 2023 und muss staatliche Verfolgung und Deportation in die Heimat nicht fürchten, wurde Vizeregierungssprecherin Traisuree Taisaranakul in einheimischen Medien zitiert.
Hintergrund des Vorstoßes ist, dass die Regierung eine weitgehend unkontrollierte Verbreitung des Coronavirus in und durch diese Bevölkerungsgruppe verhindern möchte. Das geht nur, wenn die Behörden diese Menschen registriert. Thailand war in geradezu vorbildlicher Weise durch die erste Welle der Pandemie gekommen – eine frühzeitige Abschottung des Landes nach außen hatte eine Massenausbreitung des Virus verhindert. Bis November 2020 gab es insgesamt nur rund 4.500 Infektionsfälle. Allerdings kam es in den letzten Wochen des vergangenen Jahres zu diversen Infektionen in nahezu allen Provinzen, was die Sorge vor einer starken zweiten Welle antreibt. Auch einzelne Arbeitsmigranten waren unter den positiv Getesteten. Doch viele von ihnen entzogen sich aus Angst vor Verhaftungen den Kontrollen oder wurden von ihren »Arbeitgebern« versetzt.
Rund 2,2 Millionen Einwohner der drei genannten Nachbarstaaten, die seit vielen Jahren aufgrund des Entwicklungsgefälles markante Arbeitskräftelieferanten für die thailändische Wirtschaft sind, haben einen regulären Aufenthaltstitel. Insgesamt gibt es laut Schätzungen jedoch bis zu vier Millionen Menschen aus Myanmar, Laos und Kambodscha, die auf Baustellen, in der Logistikbranche, in der Fischerei, im Dienstleistungssektor und anderen Wirtschaftszweigen des Landes tätig sind. Die Aussicht auf eine zügige Legalisierung ihrer Beschäftigungsverhältnisse ist für die Betroffenen eine gute Neuigkeit, denn nur so ist es möglich, auch gegen explizit ausbeuterische Praktiken und teils auch Misshandlungen effektiv vorzugehen. Allerdings ist der jetzt verkündete Schritt der Regierung in einem Punkt inkonsequent: Wie die Bangkok Post berichtete, müssen die Kosten für die zwei Jahre Krankenversicherung und die Tests – zusammen 7.200 Baht (195 Euro) – von den Beschäftigten selbst oder den Firmen aufgebracht werden. Viele der Unternehmen werden dies bei schon denkbar geringen Löhnen auf die Beschäftigten abwälzen.
Papop Siamhan, Direktor der Human Rights and Development Foundation, zeigte sich laut Reuters vom 8. Januar besorgt über die jüngsten Entwicklungen. Sein Verein arbeitet in Samut Prakan, wo eine Infektionskette von einem Fischmarkt gestartet war. Allein in dieser Provinz soll es mindestens 400.000 Arbeitsmigranten geben. Etliche von ihnen, so besorgniserregende Meldungen, durften ohne negative Testbescheinigung vorerst nicht mehr an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) forderte derweil, diskriminierende Praktiken zu unterlassen. Geraldine Ansart, die IOM-Missionschefin in Thailand, wurde im Reuters-Beitrag mit der Berechnung zitiert, dass ein Mindestlohnempfänger neun Tage arbeiten müsse, um die Kosten für einen Coronatest zu bezahlen.
Die gesamte Debatte hat darüber hinaus noch eine andere Auswirkung: In einer Umfrage von Ende Dezember nimmt die Ablehnung migrantischer Arbeitskräfte zu. Mehr als 97 Prozent der Befragten zeigten sich überzeugt, dass sogar regierungsamtliche Stellen daran beteiligt seien, »Illegale« ins Land zu holen.
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Debatte
Peter Böttcher
Kiel
Seelotse und mehrere Jahre in Thailand lebend