Palästinenser ohne Impfstoff
Von Gerrit Hoekman
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat entgegen Berichten in israelischen Medien keinen Coronaimpfstoff von Israel erhalten. Das meldete die amtliche palästinensische Nachrichtenagentur WAFA am Donnerstag. Die PA hofft trotzdem, im Februar mit dem Impfen beginnen zu können.
Die Zeit drängt. Nach palästinensischen Angaben hatten sich bis Sonntag im von Israel unter Blockade stehenden Gaza, auf der besetzten Westbank und im annektierten Ostjerusalem 165.250 Menschen mit Covid-19 angesteckt, 1.735 sind im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. Während die Palästinenser noch auf die erste Lieferung des Impfstoffs warten, hat Israel seine Impfkampagne bereits am 20. Dezember gestartet – als einer der ersten Staaten der Welt. Mehr als anderthalb Millionen Israelis haben inzwischen die erste der beiden nötigen Dosen erhalten.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO bat Tel Aviv vergangene Woche, wenigstens den Beschäftigen im Gesundheitswesen der besetzten Gebiete Impfdosen zur Verfügung zu stellen. 8.000 sollen sich bereits angesteckt haben. »Die Rückmeldung ist, dass Israel selbst einen Engpass hat und erst zu einem späteren Zeitpunkt liefern kann«, teilte der Leiter des WHO-Büros in Jerusalem, der Österreicher Gerald Rockenschaub, am Sonnabend gegenüber der britischen Onlinezeitung The Independent mit. Es sollte in Israels eigenem Interesse sein, den Palästinensern zu helfen, sagte Rockenschaub und verwies auf die rund 140.000 Werktätigen, die täglich zwischen Israel und der Westbank pendeln.
Es könne keine Eindämmung der Pandemie in Israel geben, wenn sie sich in Palästina weiter ausbreite, stellte auch Ramzi Baroud, der Herausgeber der Nachrichtenseite The Palestine Chronicle am Donnerstag gegenüber der internationalen Agentur Inter Press Service (IPS) fest. Das Coronavirus schere sich nicht um Mauern und Kontrollpunkte. »Der Ausschluss von Palästinensern von einem Impfstoff, der notwendig ist, um das Leben von Tausenden zu retten, ist Teil einer langwierigen und systemischen israelischen Apartheid und rassistischen Diskriminierung«, sagte Baroud. Israel beute die Palästinenser als billige Arbeitskräfte aus, kümmere sich aber nicht um ihre Gesundheit. »Aber die Apartheid geht viel tiefer und hat fast alle Facetten der Gesellschaft erreicht, indem israelische Juden, einschließlich Siedler, weitaus besser behandelt werden als Palästinenser, egal ob sie in Israel oder in den besetzten Gebieten leben«, so Baroud.
Auch in Israel regt sich Protest. »Das Judentum lehrt eine moralische Verpflichtung, keine Gleichgültigkeit zu zeigen, wenn unser Nachbar leidet, sondern in Zeiten der Not (…) Hilfe anzubieten«, heißt es in einer von gut 200 jüdischen Geistlichen der Organisation »Rabbis for Human Rights« unterzeichneten Petition an die israelische Regierung, wie die Jerusalem Post vergangenen Dienstag berichtete. NGOs wie das Israelische Informationszentrum für Menschenrechte, B’Tselem, verweisen auf die Verpflichtungen Israels als Besatzungsmacht, die sich aus der Genfer Konvention ergeben, meldete IPS am Donnerstag.
Alleine werden die Autonomiebehörde auf der Westbank und die Hamas-Regierung in Gaza jedenfalls kaum mit der Pandemie fertig werden. Internationale Hilfe ist dringend nötig. Das Problem beginnt schon damit, dass der Impfstoff extrem kühl gelagert werden muss, aber in Palästina keine ausreichenden Möglichkeiten dazu vorhanden sind. In Gaza gibt es außerdem nur stundenweise Strom.
Die PA baut auf die internationale Covax-Initiative, die im April 2020 von der Weltgesundheitsbehörde ins Leben gerufen wurde und die gerechte, weltweite Verteilung von Impfstoffen auch für arme Länder sicherstellen soll. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums sollen erste Dosen über das Programm in Februar geliefert werden. Außerdem hoffen die Palästinenser auf eine Lieferung des russischen Impfstoffs »Sputnik V«. Aber auch der soll nicht vor Februar eintreffen.
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