Mumia freikämpfen
Von Jürgen Heiser
Wenn an diesem Sonnabend die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz wegen der Coronapandemie zum ersten Mal komplett im virtuellen Raum stattfindet, muss sich einer, der seit 1998 fast jedes Jahr mit einem Beitrag auf der Konferenz vertreten war, nicht umstellen. Mumia Abu-Jamal, der – obwohl unschuldig – wegen eines Polizistenmordes verurteilt wurde und dessen Fall stets auf der Konferenz Thema war, konnte von Anfang an nur virtuell teilnehmen. Der US-Journalist, Bürgerrechtler und Ex-Black-Panther musste seine Texte seit seiner Verhaftung im Dezember 1981 stets in Gefängniszellen schreiben.
Anfangs kamen seine Beiträge handgeschrieben per Luftpost. Dann schickten Menschen, die ihn von draußen unterstützten, seine Beiträge per Fax, Audiokassette, später per E-Mail und noch später per CD und MP3-Datei, als er die Texte mit eigener Stimme via Telefon den Kolleginnen von Prison Radio in San Francisco auf Band sprechen konnte. Arbeiten im virtuellen Raum war für den politischen Gefangenen notgedrungen schon lange Routine.
Aufmerken ließ dabei seine Nähe zu den Entwicklungen in der Welt und zu den Kämpfen der Unterdrückten. Das zeigte schon sein Beitrag für das »Festival alternativer und radikaler Medien«, ein europaweites Treffen oppositioneller Kräfte 1989 in Amsterdam. »Als radikale Journalistinnen und Journalisten haben wir eine andere Geschichte zu erzählen«, erklärte Abu-Jamal. Diese sei keine Geschichte von Reichtum und Überfluss, sondern die Geschichte der Unterdrückten. Die sei aber »auch die Geschichte einer besseren Zukunft, von Meeren, in denen Leben gedeiht, von sauberer Luft, grünen Wäldern, von Gesundheit, Hoffnung, Freiheit und Frieden für alle Völker dieser Welt«.
Diese Mischung aus Hoffnung auf eine bessere Zukunft und aus der Einsicht in die Notwendigkeit des Kampfes war es, die ihn trotz aller Repressionen in der Haft immer hat überleben und sich nicht brechen lassen. Tendenzen der Faschisierung des US-Imperiums, die es in den USA schon lange vor einem erznationalistischen Aufrührer wie Donald Trump und seinen Sturmtruppen gab, hat Mumia Abu-Jamal auch für die Rosa-Luxemburg-Konferenz immer wieder analysiert und kritisiert.
Der Kampf seines Verteidigungsteams, sein Recht auf ein bislang rechtswidrig von der Justiz verhindertes Berufungsverfahren durchzusetzen, wird noch andauern. Einem durch die lange Haft erkrankten Gefangenen wie Abu-Jamal wird jetzt das in den Zellen grassierenden Coronavirus zur großen Gefahr. Noelle Hanrahan von Prison Radio warnte deshalb kürzlich, die US-Justiz wolle »einen neuen Prozess hinauszögern, bis Mumia im Gefängnis stirbt«.
Wer will, dass Mumia Abu-Jamal die Chance bekommt, den Knast lebend zu verlassen, muss sich deshalb für seine Freilassung aus humanitären Gründen einsetzen. Dazu braucht es eine Neubelebung der breiten Bewegung aus Gewerkschaften, Parteien, Antifa- und Menschenrechtsorganisationen, dem PEN und weiteren Vereinigungen der schreibenden Zunft, die es schon geschafft hat, den Kollegen aus der Todeszelle zu holen. Die diesjährige Rosa-Luxemburg-Konferenz könnte der Ausgangspunkt für eine neue und machtvolle Solidaritätsinitiative sein.
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