Jobs runter, Dividenden rauf
Von Gudrun Giese
Eine vollendete Fusion, ein Schutzschirm- und anschließendes Insolvenzverfahren sowie zahlreiche Schließungen und der damit verbundene Rausschmiss vieler Beschäftigter – das sind die zentralen Wegmarken bei der Warenhauskette »Galeria Karstadt-Kaufhof« (GKK) im Jahr 2020. Schuld am starken »Personalabbau« war – natürlich – das Coronavirus. Damit ließ sich in diesem Jahr nahezu jeder miese Plan begründen.
Rechtzeitig vor Beginn des Shutdowns, Ende Oktober, warnte GKK-Vorstandschef Miguel Müllenbach vor neuerlichen Schließungen des stationären Einzelhandels. Das würde »ein massives Ladensterben verursachen und damit auch negative Folgen für viele Innenstädte haben«, zitierte die FAZ eine Aussage des GKK-CEO aus der Branchenplattform lebensmittelzeitung.net. Das sei kein originäres Problem für die Warenhauskette, »sondern ein viel größeres. Dann ist der gesamte stationäre Einzelhandel betroffen.« Die Politik nahm sich die Warnungen aus dem Handel zu Herzen. Während Theater, Sportstätten und Restaurants bereits zum 1. November wegen der steigenden Coronainfektionszahlen dichtmachen mussten, blieben Warenhäuser und andere Geschäfte weiter offen. Shoppen sollte den pandemiemüden Menschen bleiben, dem Staat Steuereinnahmen bringen und die Lobbyverbände halbwegs bei Laune halten. Doch die Rechnung ging nicht lange auf. Seit dem 16. Dezember sind wegen erst stagnierender, dann steigender Coronainfektionen die meisten Geschäfte wieder geschlossen, auch die GKK-Warenhäuser. Welche Pläne in der zum österreichischen Signa-Konzern gehörenden Kette nun geschmiedet werden, ist nicht bekannt. Der Blick zurück zeigt, dass »sparen« zu Lasten der Beschäftigten die erste Wahl ist.
Kaum hatte es im Frühjahr den ersten Shutdown gegeben, geriet GKK in Turbulenzen: Mietzahlungen wurden gestoppt, zum 1. April beantragte das Warenhausunternehmen erfolgreich ein staatliches Schutzschirmverfahren. Das ist ein Sonderfall von Insolvenz, bei dem eine beschleunigte Sanierung inklusive Häuserschließungen und Kündigungen möglich ist. Dabei hatten sich GKK und die Gewerkschaft Verdi erst kurz zuvor – nach der zum 31. Januar 2020 rechtlich vollzogenen Fusion von Karstadt und Galeria Kaufhof – auf eine Rückkehr in die Tarifverträge des Einzelhandels geeinigt. Mit der Flucht unter den Schutzschirm, im Sommer gefolgt von einem verkürzten Insolvenzverfahren, war das Makulatur. GKK kündigte an, 62 Warenhäuser, 24 »Karstadt-Feinkost«-Abteilungen sowie an die 20 »Karstadt-Sports«-Häuser zu schließen. Außerdem forderten die GKK-Chefs Mietreduzierungen für Filialen, die erhalten bleiben sollten, und die Aussetzung des mit Verdi vereinbarten Tarifvertrages.
Mitte Oktober wurden die ersten 35 Häuser in verschiedenen Städten geschlossen. Verdi, GKK-Betriebsräte und -Beschäftigte begleiteten die Schließungen mit zahlreichen Aktionen vor Ort. »Die Beschäftigten haben alles getan, um die Häuser zu erhalten. Viele von ihnen werden nun wegen des Missmanagements der bisherigen Geschäftsleitung ihrer Existenzgrundlage beraubt«, sagte Orhan Akman, bei Verdi für den Einzelhandel zuständiger Bundesfachgruppenleiter.
Zumindest fielen die Betriebsdemontagen nicht so drastisch aus wie im Frühsommer befürchtet. So hatten Bündnisse, in denen sich Beschäftigte, die Gewerkschaft wie auch Bürgermeister und andere Lokalpolitiker engagierten, es erreicht, dass etliche Schließungsankündigungen zurückgezogen wurden. Im Gegenzug erhielt GKK dafür die Zusage etwa von Mietminderungen. In Berlin erklärte der Senat per Absichtserklärung (»Letter of intent«), sich für den millionenteuren Um- bzw. Neubau dreier GKK-Filialen (Alexanderplatz, Kurfürstendamm, Hermannplatz) einzusetzen, wenn dafür einige der für die Schließung vorgesehenen Warenhäuser drei bzw. fünf Jahre lang offenblieben.
Durch die Zugeständnisse kamen 21 GKK-Filialen von der Streichliste. Es blieb beim Aus für 41 Warenhäuser, 14 der 50 »Karstadt-Feinkost«-Abteilungen und 15 von 31 »Karstadt-Sports«-Filialen. Was letztere betrifft, konnten sich Verdi und die Betriebsräte nicht mit ihrer Forderung nach einer Transfergesellschaft durchsetzen – anders als bei den geschlossenen Warenhäusern und »Feinkost«-Abteilungen, wo die gekündigten Beschäftigten auf diese Weise befristet aufgefangen werden. Für die Mitarbeiter der »Sports«-Filialen sei jedoch eine Transfergesellschaft rigoros abgelehnt worden, beklagte Akman, der das als »unwürdige Behandlung der Beschäftigten bei ›Karstadt Sports‹« bezeichnete. 500 Menschen hätten dort ihre Jobs verloren. Ein Angebot mit Beschäftigungsperspektive durch GKK blieb aus. Bei den Warenhäusern hätten hingegen mehr als 1.800 der rund 2.500 vom Kahlschlag betroffenen Beschäftigten die Chance wahrgenommen, in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zu wechseln; bei »Karstadt Feinkost« etwa 140 von 250.
Die Tatsache, dass Schlimmeres verhindert werden konnte, täusche nicht darüber hinweg, wie stark die Signa-Holding am Ende von Schließungen und Abbau profitiert habe, betonte Akman im Oktober: »Tausende Beschäftigte werden im Handelskonzern gekündigt. Im gleichen Atemzug hat sich der Mehrheitsanteilseigner René Benko aber ausgerechnet dieses Jahr rund 100 Millionen Euro Dividenden ausschütten lassen.« Dass die Dividenden stiegen, wenn Menschen ihre Arbeit verlören, zeige einmal mehr, wie unmenschlich der Finanzmarkt funktioniere. 2021 verlangt den verbliebenen GKK-Beschäftigten angesichts der Erfahrungen des zurückliegenden Jahres vermutlich wieder viel Kampfbereitschaft ab.
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