Trotz Krieg und Virus
Von Marc Bebenroth
Von einer Pandemie lassen sich Innenminister nicht aufhalten. Geht es nach dem Willen der Ressortchefs der unionsregierten Länder, sollen ab dem 1. Januar wieder Menschen aus der Bundesrepublik nach Syrien abgeschoben werden. Dort herrscht nach wie vor Krieg – vom allein dadurch erhöhten Infektionsrisiko in dem Land ganz zu schweigen. »Es wird keinen Beschluss für eine weitere Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien geben«, stellte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gegenüber der Deutschen Presseagentur am Mittwoch vor der am Abend begonnenen Innenministerkonferenz (IMK) klar.
Herrmann, der für alle CDU- und CSU-Innenminister auf der Konferenz spricht, stützt damit die Position von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der bereits Ende November den im Jahr 2012 beschlossenen Abschiebestopp für Syrien in Frage gestellt hatte. Seehofer kündigte an, bei der IMK dafür zu werben, dass verurteilte Straftäter und sogenannte Gefährder – also Unschuldige, denen deutsche Behörden das Begehen schwerer Straftaten zutrauen – nach einer Einzelfallprüfung wieder nach Syrien abgeschoben werden.
Diesen Vorstoß lehnen die SPD-Innenminister ab, jedoch nicht wegen grundsätzlicher Vorbehalte. »Wir schieben Straftäter ab«, erklärte Thüringens Innenressortleiter Georg Maier (SPD) am Mittwoch im Deutschlandfunk. Nur nach Syrien eben nicht, »das ist jetzt die Ausnahme, weil in Syrien herrscht Bürgerkrieg«. Maier leitet die IMK, die bis diesen Freitag andauern soll. Auf die Frage des Moderators, ob er verstehen könne, dass Forderungen nach Abschiebungen bei Verstößen gegen »Regeln und Gesetze« der BRD laut würden, antwortete er: »Ja, selbstverständlich! Das ist das Rechtsempfinden der Menschen und das nehme ich sehr ernst, und ich denke auch so.« Eine Verlängerung des Abschiebestopps für Syrien hielt Maier gegenüber dem Sender für einen akzeptablen Kompromissvorschlag.
Über den Umgang mit Faschisten und ihren Symbolen sollte ebenfalls auf der IMK beraten werden. So drängte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (Mittwochsausgabe) auf ein bundesweites Verbot von Reichskriegsflaggen. Die seien »nichts anderes als ein Ersatz für die verbotenen Hakenkreuzflaggen«. Vor allem bei Versammlungen und Aufmärschen des »Coronaleugner«-Milieus sind Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen verbreitet.
Eine der Säulen dieser Szene, die »Querdenken«-Zusammenschlüsse, gerät derweil verstärkt in den Fokus des Inlandsgeheimdienstes. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg stuft den Ableger »Querdenken 711« nun als ersten bundesweit als Beobachtungsobjekt ein, wie die dpa am Mittwoch erfuhr. In Sachsen liegen dem dortigen Innenminister Roland Wöller (CDU) nun übrigens die Ergebnisse einer Prüfung des Geheimdienstes vor, der den Landesverband der AfD zum Verdachtsfall erklären will, wie die Sächsische Zeitung vom Mittwoch berichtete.
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Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Cornelia Praetorius: Hauptsache gegen Syrien Die Diskussion über die Abschiebung von syrischen Gefährdern geht doch an der Hauptproblematik ganz vorbei. Wir sind durch viele Artikel der jW von Karin Leukefeld sowie Nick Brauns informiert, dass i...
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