Ein Hoch auf Elon Musk
Von Ralf Wurzbacher
Und ein Schlag mehr gegen Umweltschutz und Rechtsstaat: Am Dienstag abend (nach jW-Redaktionsschluss) nahm der Chef des Automobilherstellers Tesla den Axel-Springer-Award für »Erfindergeist und Innovationskraft« in Berlin entgegen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: »An Evening for Elon Musk – Mission to Mars.« Besonders geehrt wurde der 49jährige für seine Ambitionen, den roten Planeten zu kolonisieren, für den Fall, dass die Erde irgendwann nicht mehr bewohnbar ist. Dafür leistet der »Starunternehmer« mit dem Bau seiner »Gigafactory« nahe Grünheide im Südosten Berlins eifrig Vorarbeit. Ende November genehmigten die Behörden zum Unmut von Naturschützern die Rodung von weiteren knapp 83 Hektar Wald, nachdem zuvor bereits Bäume auf einer Fläche von 92 Hektar hatten weichen müssen.
Musk will künftig eine halbe Million Elektroautos jährlich in Brandenburg fertigen lassen und das Werk zudem zur weltweit größten Batteriefabrik ausbauen. Für deren Herstellung braucht es massenweise Lithium und Kobalt, deren Gewinnung mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt in den ohnehin zumeist armen Rohstoffländern in Afrika und Südamerika einhergeht. Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verdient das eine Auszeichnung. Im Beisein von Verlagserbin Friede Springer sowie Vorstandschef und Großaktionär Mathias Döpfner durfte er gestern die Laudatio halten. Vor Musk wurden mit dem Preis bereits Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der Erfinder des Word Wide Web, Tim Berners-Lee, und Amazon-Multimilliardär Jeffrey Bezos bedacht. 2019 hatte die Jury einen Aussetzer: Da wurde die US-Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff gewürdigt. In ihrem Buch »Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus« brandmarkt sie die Emporkömmlinge aus dem Silicon Valley als Wegbereiter einer digitalen Sklaverei im globalen Maßstab.
Musk kann mit dem Vorwurf gut leben. Seit Jahresbeginn 2020 hat sich der Kurs der Tesla-Aktie mehr als verfünffacht. Der Börsenwert liegt aktuell bei rund 550 Milliarden Dollar (460 Milliarden Euro), wie am Montag das Manager-Magazin berichtete. Dieser sei mehr als doppelt so hoch wie der der drei deutschen Autobauer VW, Daimler und BMW zusammen. Adam Jonas, Analyst bei der US-Investmentbank Morgan Stanley, führt dies auf einen profunden Wandel des Geschäftsmodells zurück. Indem Tesla seine Fahrzeuge mit immer mehr digitalen Dienstleistungen ausstatte, entstehe eine »Mischung aus Autohersteller und Softwarekonzern«, schrieb das Wirtschaftsblatt und schwärmte: »Möglich, dass es eines Tages Tesla-TV gibt oder Hotel- und Reiseangebote, die ausschließlich über den großen Screen im Tesla-Cockpit flimmern.«
Aber einen Motor brauchen Musks Karossen eben auch noch. Vor einigen Wochen bezifferte er die Batteriekapazitäten allein für Tesla-Modelle bis 2030 mit 3.000 Gigawattstunden. Nach Angaben des Handelsblatts vom Dienstag bedeute dies eine Steigerung der Produktion um das 86fache des Istzustandes. Heute verkauft der Konzern pro Jahr knapp 500.000 Autos, für 2030 peilt er einen Absatz von jährlich 20 Millionen an. Mit Grünheide als demnächst vielleicht größtem Standort zur Batteriezellenfertigung müssten weitere Waldflächen gewaltigen Ausmaßes gerodet werden. Ein vergleichbares US-Werk in Nevada nimmt eine Grundfläche von 130 Hektar ein. Zum Platzbedarf käme noch ein erheblich höheres Aufkommen an Energie und Wasser, wovon es im klimatisch geplagten Brandenburg ohnehin viel zuwenig gibt. Gemäß Genehmigungsunterlagen wird allein die Autofabrik jährlich rund 1.000 Gigawattstunden an Strom verbrauchen, was etwa dem Bedarf von Chemnitz mit fast 250.000 Einwohnern entspricht.
Entsprechend erbost ist man bei Bürgerinitiativen und Umweltschützern angesichts der neuesten Tesla-Pläne. »Das größte Batteriewerk der Welt hat in Grünheide nichts zu suchen«, äußerte sich in der Vorwoche der Bundesvorsitzende der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Christian Rechholz. Auch für dieses Vorhaben liege keinerlei Genehmigung vor, »ja es ist noch nicht einmal beantragt«. Sein Urteil: »Musk schert sich nicht um unseren Rechtsstaat.« Bei den Eliten macht man sich damit preisverdächtig.
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