Lieferdienst in der Kritik

Für sie ist die Coronakrise eine Goldgrube: Essenslieferdienste profitieren wie kaum eine andere Branche von der Pandemie. Wegen der Ausgangsbeschränkungen und Hygieneregeln bestellen viele Menschen ihre Mahlzeiten online bei Restaurants und lassen sie sich nach Hause liefern. Doch mit den steigenden Geschäftszahlen ist auch die Kritik an den Arbeitsbedingungen der Kurierfahrer lauter geworden. Nun hat der Betriebsrat des deutschen Lieferdienstmarktführers Lieferando in Frankfurt am Main eine vierseitige Liste erstellt, auf der 52 mutmaßliche Arbeitsschutzverstöße aufgelistet werden, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Donnerstag berichtete. Darin kritisiert Betriebsrat Philipp Schurk unter anderem, das Unternehmen »kontrolliert nicht nur nicht, ob Fahrräder verkehrssicher sind, sondern mahnt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab, wenn sie wegen der fehlenden Verkehrssicherheit ihres Fahrrads nicht fahren wollen«, zitiert die FAZ aus dem Papier. Lieferando, das zum niederländischen Konzern Just Eat Takeaway gehört, bestreitet die Vorwürfe.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Umsetzung der Hygieneauflagen. Laut Lieferando sollen sich die Fahrer wegen der Coronapandemie im Laufe der Schicht regelmäßig die Hände waschen. Doch Waschräume, um das zu erledigen, gebe es nur im »Hub«, wo die Kuriere ihre Schicht beginnen. Hinzu kommt: Weil Restaurantbetreiber den Zutritt zu den sanitären Anlagen verwehren, können viele Fahrer während der Arbeit nicht einmal auf die Toilette gehen. Dass der Job außerdem Gefahren birgt, zeigt ein Verkehrsunfall am vergangenen Sonnabend in der Mainmetropole, bei dem ein Kurier von Lieferando von einem Autofahrer überfahren wurde und verstarb. Trotzdem hat das Unternehmen die Gründung von Betriebsräten lange erschwert. Erst nach Urteilen der Landesarbeitsgerichte in Köln und Frankfurt am Main ließ der Konzern dort Anfang des Jahres Betriebsratswahlen zu.
Seit Just Eat Takeaway 2019 das Deutschland-Geschäft von Delivery Hero übernommen hat, hat Lieferando auf dem hiesigen Markt eine Monopolstellung. Aktuell würden für das hiesige Geschäft 1.000 zusätzliche Fahrer gesucht, um die steigende Anzahl von Bestellungen bedienen zu können. Und auch weltweit baut das Unternehmen seine Position aus. Just Eat Takeaway hat im dritten Quartal 2020 in der Coronakrise das Wachstum bei Bestellungen deutlich steigern können. Weltweit verzeichnete die Lieferando-Mutterzwischen Juli und Ende September 151,4 Millionen Lieferaufträge, 46 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. (jW)
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