Querstellen in Leipzig
Von Steve Hollasky
Lachende Kleinfamilien, fröhliche Kinder und Regenbogenfahnen: So präsentieren die Organisatoren die für Samstag in Leipzig geplante Demonstration von »Querdenken« in einem im Internet verbreiteten Video. Laut Anmeldung wollen sich 20.000 Menschen aus Protest gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie versammeln.
Die Wirklichkeit dieser Aufmärsche hatte mit dem Werbevideo zuletzt immer weniger zu tun. In Berlin stürmten »Reichsbürger« und Neonazis am Rande einer »Querdenken«-Demonstration Anfang September die Treppe vor dem Reichstagsgebäude. In Dresden glänzten die Teilnehmenden im Oktober durch vielfach fehlenden Mund- und Nasenschutz. Zudem wurde laut dem Nachrichtenportal Tag 24 am Rande der Versammlung Material verteilt, in dem zu Solidarität mit der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck aufgerufen wird.
Erst in dieser Woche war bekanntgeworden, dass mutmaßlich Anhänger von »Querdenken« dem Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow eine Grabkerze vor die Tür gestellt hatten. Der Linke-Politiker hatte Anzeige erstattet. Zuvor war in einer Chatgruppe des Erfurter »Querdenken«-Ablegers die Privatadresse Ramelows veröffentlicht und dazu aufgefordert worden, ihm »immer mal Dinge« vor die Tür zu legen. Die dafür Verantwortliche hatte in der Chatgruppe laut Tagesspiegel geschrieben, der Thüringer AfD-Chef Höcke spreche »eins zu eins aus, was wir auch wollen«.
Unter dem Eindruck dieser Geschehnisse blickt man in Leipzig mit Sorge auf das Wochenende. Das Portal Leipziger Internetzeitung berichtete am 3. November von »anonymen Morddrohungen« im Internet und hielt fest, dass Beobachter der Szene eine »gewalttätige Eskalation« befürchten. Auch die NPD und andere rechte Organisationen mobilisieren nach Leipzig.
Die Polizei hat angekündigt, die Einhaltung der Maskenpflicht stärker zu kontrollieren. Dirk-Martin Christian, Chef des sächsischen Verfassungsschutzes, wird unterdessen nicht müde, vor linken Gegendemonstranten zu warnen. »Rechtsextremismus« bekämpfe man »nicht mit linksradikaler Gewalt«, so Christian am Freitag gegenüber der Welt.
Das dürfte auch eine Anspielung auf die geplanten Aktionen von »Leipzig nimmt Platz« sein. Das Bündnis wolle nicht zusehen, wie sich am Samstag Leute »mit Rechten gemeinmachen«, so Irena Rudolph-Kokot am Freitag gegenüber jW. Mobilisiert wird zum Augustusplatz. Dort sollte sich ursprünglich »Querdenken« einfinden. Wegen der Abstandsregeln hat die Stadt jedoch entschieden, die Kundgebung auf das weiträumigere Messegelände zu verlegen. »Querdenken« hat gegen diesen Bescheid Rechtsmittel eingelegt.
Teste die beste linke, überregionale Tageszeitung.
Kann ja jeder behaupten, der oder die Beste zu sein! Deshalb wollen wir Sie einladen zu testen, wie gut wir sind: Drei Wochen lang (im europ. Ausland zwei Wochen) liefern wir Ihnen die Tageszeitung junge Welt montags bis samstags in Ihren Briefkasten – gratis und völlig unverbindlich! Sie müssen das Probeabo nicht abbestellen, denn es endet nach dieser Zeit automatisch.
Ähnliche:
- Kzenon / shutterstock.com24.09.2020
»Mehr Chancengleichheit fürs digitale Studieren!«
- Paul Zinken/dpa/ZB17.04.2020
Verzicht auf Festakte
- 01.10.2019
Protest gegen Pegida am 7. Oktober
Mehr aus: Inland
-
Undichte »Schwachstellen«
vom 07.11.2020 -
Unfaire Landarbeit
vom 07.11.2020 -
Mit Heil zu Hartz
vom 07.11.2020