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Aus: Ausgabe vom 05.05.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Reaktionen: Odessa im Schock

Die südukrainische Hafenstadt Odessa stand auch zwei Tage nach dem blutigen Pogrom der Rechten vor dem Gewerkschaftshaus unter Schock. Vor dem inzwischen von einer Polizeikette abgesperrten Gebäude legten am Wochenende Hunderte Bewohner Blumen für die Opfer nieder und entzündeten Kerzen. Zur Trauer gesellte sich Wut. Viele Bürger seien »aggressiv gestimmt« und äußerten Drohungen gegen die Anhänger der Kiewer Machthaber, berichtete die russische Agentur RIA Nowosti. Am Sonntag mittag hingen Aktivisten auch eine große russische Fahne aus. In Charkiw und Donezk gab es Solidaritätsdemonstrationen. »Odessa wird nicht verziehen«, war eine der Parolen.

Die Kiewer Machthaber versprachen unterdessen eine »umfassende und unparteiische« Ermittlung der Vorgänge. Die Ankündigung ist ehrgeizig, denn einstweilen haben sie diese Unvoreingenommenheit in ihren öffentlichen Erklärungen nicht an den Tag gelegt. Erst erklärte »Übergangspräsident« Turt­schinow den russischen Geheimdienst FSB für den Pogrom verantwortlich. Interessanterweise hatte er schon einige Tage vor dem blutigen Freitag von möglichen Provokationen unter anderem in Odessa gesprochen; jeder Geheimdienst, der auf sich hält, wäre an dieser Stelle gewarnt gewesen und hätte die Aktion abgeblasen. Noch am Freitag streuten die Kiewer Behörden, unter den Toten wären 15 Russen und fünf Personen aus Transnistrien. Am Sonntag dann gab die Polizei in Odessa bekannt, von den 46 Opfern seien erst 14 identifiziert: Bei allen handele es sich um ukrainische Staatsbürger mit Wohnsitz in Odessa. Auch die angeblichen Waffenfunde in dem Gewerkschaftshaus wurden von der örtlichen Polizei dementiert.

Die Version mit dem FSB als angeblichem Strippenzieher wurde von Kiewer Seite schon einen Tag nach dem Pogrom gegen eine andere ausgetauscht: Demnach soll der ehemalige Vizeregierungschef unter Präsident Wiktor Janukowitsch, Serhij Arbusow, die Unruhen angestiftet haben.


Unklar bleibt die Rolle der Polizei von Odessa. Während die Schläger noch wüteten, warf der regionale Gouverneur ihr vor, sie habe sich »nicht um das Land, sondern um ihre eigene Bequemlichkeit« gekümmert. Feigheit vor dem »Rechten Sektor«, soll das wohl heißen. Vielleicht ist es aber auch anders gewesen. RIA Nowosti meldete am Samstag unter Berufung auf hohe Offiziere im Kiewer Innenministerium, unter den Schlägern von Odessa seien auch in Zivil gekleidete Angehörige zweier Sondereinsatzbataillone der Polizei gewesen. Daß die Schläger auch mit Polizeischilden ausgerüstet waren, muß dagegen nicht zwangsläufig für eine Beteiligung von Polizeikräften sprechen. Die sogenannte Maidan-Selbstverteidigung hat in den Tagen des Umsturzes eine große Zahl dieser Schilde erbeutet. Einige hatten sie sogar mit »14. Hundertschaft der Selbstverteidigung« gekennzeichnet.

(rl)

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