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Aus: Ausgabe vom 25.03.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Alle waren Brüder

Französische Geschäftsleute, als »Libyen-Experten mit sehr guten Verbindungen zu Verantwortlichen des Regimes« bezeichnete Ansprechpartner der französischen Journalistin Catherine Graciet (siehe unten), die unter den Decknamen »Franck« und »Fabrice« auftraten und ihre echte Identität nicht genannt haben wollten, beschrieben den Geldtransfer von Libyen nach Paris im Detail. Demnach sei Ende des Jahres 2006 »ein kleines französisches Flugzeug« vom Flughafen Sirte in Richtung Frankreich gestartet – zu einem Zeitpunkt, an dem sich auch der »Revolutionsführer« in der nordostlibyschen Stadt aufhielt. An Bord: Béchir Salah, enger Vertrauter Ghaddafis und Chef des Protokolls im libyschen Außenministerium, zusammen mit vier anderen Männern, offenbar Leibwächtern.

Im Gepäck führten sie 30 Millionen Euro mit, die »erste Tranche« des mit Sarkozy vereinbarten Geschäfts. Der Transfer der restlichen Summe, 20 Millionen Euro sowie für Vermittler des Handels bestimmte sieben zusätzliche Millionen, sei später über die Botschaft Libyens in Paris abgewickelt worden, heißt es im »Franck«-Bericht, den Graciet in ihrem Buch »Geheime Geschichte eines Verrats« veröffentlichte.

Zu den Bedingungen des zunächst nur privaten Tauschgeschäftes zwischen Sarkozy und Ghaddafi habe nicht nur der im Dezember 2007 erfolgte pompöse Staatsempfang in Paris gehört, sondern auch der von Libyen versprochene Kauf von Waffen und Jagdflugzeugen vom Typ Rafale. Von französischer Seite sei der Bau eines Atomreaktors als Energiequelle für eine Meerwasserentsalzungsanlage durch den Staatskonzern Areva zugesagt worden.

Besonders das Versprechen, Nukleartechnologie nach Libyen zu exportieren, stieß nach Angaben der ehemaligen Areva-Direktorin Anne Lauvergeon auf Unverständnis. In ihrem 2012 erschienenen Buch »La femme qui résiste« (Éditions Plon-Perrin) beschreibt sie den Handel zwischen Sarkozy und Ghaddafi als ein Geschäft unter mafiösen Vorzeichen: »Was sich für die einen als Teil der üblichen staatlichen Maschinerie darstellte, war für die anderen ein lukratives Geschäft, mit dem sich gewisse Beziehungen schmieren ließen. Alle waren sie vereint, alle waren sie solidarisch, alle waren sie Brüder.« (hgh)

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