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Leserbrief zum Artikel Ramelow gescheitert: Tabubruch in Erfurt vom 06.02.2020:

Gefährliche Farce

Ja, die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen am 5. Februar 2020 war ein »Tabubruch«, darüber sind sich alle Beteiligten einig, die AfD, die das Ergebnis wissentlich herbeigeführt hat, empfand allerdings hämische Genugtuung. Zum ersten Mal wurde in der BRD ein Politiker mit Hilfe einer faschistischen Partei zum Ministerpräsidenten gewählt. Mit einer Stimme Mehrheit vor dem Kandidaten der Linkspartei. Nach Recherchen von Business-Insider war der Wahlausgang für die FDP-Führung wohl nicht so überraschend wie es zunächst den Anschein hatte, denn Bundes-FDP-Chef Lindner soll sich schon im Vorfeld mit dem Parteikollegen Kemmerlich über eine mögliche Wahlhilfe der AfD ausgetauscht haben. Wie aber konnte es überhaupt zu solchen Abstimmungsverhältnissen kommen? Das Abstimmungsergebnis war wohl eiskalt von der Partei des Faschisten Höcke kalkuliert worden, der dann am folgenden Tag in »Führerpose« auf dem Titelblatt des Neuen Deutschland erscheinen konnte, denn seine Partei hatte im dritten, entscheidenden Wahlgang den eigenen – parteilosen – Kandidaten nicht mehr gewählt. Parallelen zu den Thüringer Landtagswahlen von 1930 drängen sich auf. Zwar wurde diesmal ein bürgerlicher Kandidat ins Ministeramt gewählt, aber mit dem Triumph der AfD, dass dies nur durch ihre Entscheidung möglich war. Und mit dem Ziel, die Partei »hoffähig« zu machen. Wie konnte es zu solchen politischen Konstellationen kommen? Solange in fast jeder Nachrichtensendung bzw. dem folgenden Kommentar sowie in nahezu jeder Talkrunde (so erst gestern im ZDF mit Markus Lanz) rechts mit links gleichgesetzt wird und verharmlosend statt von Faschismus von »Rechtsextremismus« oder gar von »Rechtspopulismus« gesprochen wird, muss das Tabu, eine linke Partei zu wählen, bestehenbleiben. Das »Gespenst« geht noch immer um, nach dem Ende der DDR sogar manchmal mit stillem Einverständnis mancher Linken. Auch deren Schielen nach bürgerlicher Regierungsbeteiligung hat zu Verlusten an Wählerstimmen beigetragen. Was bedeutet denn die gerade wieder von der FDP vielbeschworene »bürgerliche Mitte«? Zwischen Demokratie und Faschismus kann es keine »Mitte« geben. Wie Karl Marx mit Bezug auf Hegel im »Achtzehnten Brumaire« sagt, ereignen sich »weltgeschichtliche« Ereignisse und Personen sozusagen zweimal, das eine Mal als »Tragödie«, das andere Mal als »Farce«. Ob es sich diesmal um eine Farce handelt, sei dahingestellt. Falls es so ist, könnte es eine zukunftsträchtige und sehr gefährliche sein.
Eva Ruppert, Bad Homburg
Veröffentlicht in der jungen Welt am 07.02.2020.
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