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Leserbrief zum Artikel Yad Vashem: Nichts aus der Geschichte gelernt vom 24.01.2020:

Nichts gelernt

75 Jahre Gedenken der Befreiung des KZ Auschwitz, der Shoa, des Holocaust seien genug, so  die Meinung vieler Deutscher. Seit sehr vielen Jahren ist das ihre Meinung. Wer ermittelt die Meinung oder macht sie gegebenenfalls, das sollte eine zulässige Frage sein. Gerade wurden 30 Jahre Mauerfall monströs gefeiert und DDR-Verbrechen gern mit denen des faschistischen Deutschlands auf eine Ebene gestellt. Von dem Gedenken haben offenbar alle Deutschen längst nicht genug. Ohne Erklärung zu erwarten, bleibt als weitere Frage, warum Gedenken an millionenfachen Mord, industriemäßige Menschenvernichtung, an KZ und Vernichtungslager bei heutigen Entwicklungen scheinbar vielen Deutschen lästig ist. Nazigewalt, Mord und Rassismus gegenüber Menschen, die angeblich wieder Schuldige sind, das sollte doch eher Alarmsignal, ein zu spätes schon, sein. Politiker bekunden es zumindest pflichtgemäß. Wie demokratisch ist eine Partei, die in Gegenwart sehr auffallend an Naziideologien erinnert und Gedenken mehrheitlich ablehnt und als Regierungspartei so gut wie etabliert ist? Lesart ist, dass Antifaschismus in der DDR nur verordnet gewesen sei, also auch kein wirklicher. Den »Antifaschismus« der BRD belegt, wie mit Naziverbrechern umgegangen wurde und wie es beim Moralisieren blieb. Wo es beim Moralisieren bleibt, dort bleiben der verbrecherische Inhalt, die verbrecherische Substanz im dunklen. Deshalb wird sich nicht gern an die Nürnberger Prozesse erinnert, an die Vertreter und Personen deutscher Politik, die vor internationalen Richtern standen. Artikel 139 Grundgesetz, wer kennt ihn noch? »Mein Opa war kein Verbrecher«, rufen die Enkel. (…) Aber wissen sie, wer die Verbrecher waren, wer die Opas zu Mord und Verbrechen getrieben hat und was Rassismus und Krieg hervorgebracht hat, heute wieder zu voller Blüte bringt? Wieviel an Bildung und Wissen haben die Enkel? Wer sind jene, die angeblich wegen Auschwitz Kriege rechtfertigen? Wo das tabu sein muss, wird ein neuer Faschismus nicht aufzuhalten sein.
Roland Winkler, Aue
Veröffentlicht in der jungen Welt am 28.01.2020.
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