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Leserbrief zum Artikel Yad Vashem: Nichts aus der Geschichte gelernt vom 24.01.2020:

Vernachlässigte Ursachenforschung

An den vielen Worten, Mahnungen, wohlklingenden Kommentaren und gewichtigen Sätzen der Politiker gemessen, könnte nirgendwo anders auf der Welt Antisemitismus verantwortungsvoller aufgearbeitet sein als in Deutschland. Wie kommt aber dann der krasse Gegensatz zwischen Wort und Tat, Bekenntnis und deutscher Wirklichkeit zustande? Die schrecklichen Wahrnehmungen von Hass, Hetze, Gewalt, Mord und Rassismus u. a. in Form von Antisemitismus sind nicht zu leugnen.
Plausible und erklärende Antworten darauf hören wir nicht. Den Verantwortungsträgern und der Politik fällt nicht mehr ein, als Schutz, Sicherheit von Synagogen, Gebäuden und jüdischen Personen mit immer größerem Aufwand und Perfektion zu bewältigen oder stärkere Verfolgung und Bestrafung zu versichern. Was ändert das an dem Denken?
Die Frage, wie irrsinnig und untauglich es ist, das als einzige und wichtigste Antwort zu geben, die stellt sich scheinbar keinem. Etwas Aktionismus – und das war’s. Wie lange wird so verfahren, und was hat es bewirkt? Dazu ebenso keine Antwort. Auf Bildung wird gern und lautstark verwiesen, womit dem Rassismus und Antisemitismus zu begegnen sei. So richtig das ist, sowenig und unwirksam ist es, was wirklich bildungsmäßig geschieht. Aus Worten werden Taten. Wie und woher kommt in die Köpfe, was Rassismus und Antisemitismus ausmacht? Wollen oder können wir dazu keine Erklärungen geben? Würden wir dem wirklich ernsthaft nachgehen, dann käme ganz schnell zutage, wieviel an Naziideologie niemals aufgearbeitet wurde, niemals die Ursachen für das Verbrechen Faschismus gesucht wurden. Allein an dem, was ungestraft wieder rassistisch, antisemitisch ausgesprochen, gebrüllt, verbreitet und behauptet werden darf, daran ist erkennbar, was aus lebendiger Naziideologie kommt, was deren Menschenbild, Nationalismus bis zur Rechtfertigung schlimmster Verbrechen ausmachte und welche Unbildung bis heute zum Judentum und dessen Geschichte vorhanden ist.
Roland Winkler, Aue
Veröffentlicht in der jungen Welt am 28.01.2020.
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