Leserbrief zum Artikel Linke und Grundgesetz: Die idealisierte Verfassung
vom 23.05.2019:
Das Grundgesetz – ein Grund zum Feiern?
Nicht nur angesichts ihrer Entstehung war die Verfassung der DDR dem westdeutschen Grundgesetz überlegen. Das GG wurde als vorläufige Verfassung für Westdeutschland am 8. Mai 1948 vom Parlamentarischen Rat beschlossen, dessen Präsident Konrad Adenauer war. Am 23. Mai 1949 wurde es unterzeichnet, und damit wurde – nach der ökonomischen Spaltung 1948 – der westliche Separatstaat BRD gegründet. In Ostdeutschland fand 1948 eine Verfassungsdebatte statt, bei der die Einheit Deutschlands und ein gerechter Friedensvertrag gefordert wurden. Diese Vorschläge hatten auch die westlichen Landesregierungen erhalten. In Bonn wurde jedoch unter den Abgeordneten sämtlicher Parteien – mit Ausnahme der KPD – die Volkskongressbewegung als »demokratisch illegitimes Instrument sowjetischer Macht« abgelehnt. Damit war der Gedanke eines gemeinsamen Verfassungsentwurfs gescheitert. Während das GG von der Bevölkerung weder je diskutiert, geschweige denn beschlossen wurde, war die Bevölkerung Ostdeutschlands aktiv an der Entstehung der Verfassung beteiligt.
Die erste Verfassung der DDR trat am 7.10.1949 in Kraft, eine zweite Fassung wurde 1968 nach ausgiebiger öffentlicher Diskussion durch Volksentscheid beschlossen. Das Grundgesetz blieb ein Provisorium, was in dem noch heute gültigen Artikel 146 als Auftrag festgelegt ist (»Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist«). 1990 gab es nach dem Beitritt der DDR zur BRD noch einmal die Chance für eine gesamtdeutsche Verfassung. Dass es dazu nicht kam, war wohl vom kapitalistischen Westen von Anfang an so gewollt, auch die SPD stimmte damals für einen Beitritt nach Artikel 123, was nicht mehr und nicht weniger bedeutete als die Annexion der DDR mit Überstülpen des Grundgesetzes der kapitalistischen BRD. Der entscheidende inhaltliche Unterschied zwischen GG und Verfassung der DDR ist das Fehlen der elementaren sozialen Rechte, des Rechts auf Arbeit und des Rechts auf Wohnung. Inzwischen sind zahlreiche Artikel des Grundgesetzes geändert worden, das begann bereits 1968 mit den sogenannten Notstandsgesetzen. 1993 wurde das Grundrecht auf Asyl sozusagen ausgehebelt, Artikel 10 wurde durch Abhörgesetz, Artikel 13 durch Lauschangriff, Artikel 2 durch Verschärfung der Parteigesetze in Bayern eingeschränkt, und der vielgerühmte Artikel 1 zur »Würde des Menschen« gilt für Flüchtlinge inzwischen nur noch begrenzt, seit es »Abschiebehaft« und »Rückführung« auch in Krisengebiete gibt.
Albert Krölls weist in seinem Aufsatz »Die idealisierte Verfassung« nach, dass auch der Artikel 15 (Vergesellschaftung), der jetzt wieder ins Spiel gekommen ist, letzten Endes an der
kapitalistischen Ordnung eines Staates, der über Wirtschaftswachstum frei entscheidet, nicht rüttelt.
An jedem von uns liegt es also, die bürgerlichen Rechte des Grundgesetzes immer wieder zu verteidigen, aber einen Grund, diese »Verfassung« öffentlich zu feiern, sehe ich nicht.
Die erste Verfassung der DDR trat am 7.10.1949 in Kraft, eine zweite Fassung wurde 1968 nach ausgiebiger öffentlicher Diskussion durch Volksentscheid beschlossen. Das Grundgesetz blieb ein Provisorium, was in dem noch heute gültigen Artikel 146 als Auftrag festgelegt ist (»Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist«). 1990 gab es nach dem Beitritt der DDR zur BRD noch einmal die Chance für eine gesamtdeutsche Verfassung. Dass es dazu nicht kam, war wohl vom kapitalistischen Westen von Anfang an so gewollt, auch die SPD stimmte damals für einen Beitritt nach Artikel 123, was nicht mehr und nicht weniger bedeutete als die Annexion der DDR mit Überstülpen des Grundgesetzes der kapitalistischen BRD. Der entscheidende inhaltliche Unterschied zwischen GG und Verfassung der DDR ist das Fehlen der elementaren sozialen Rechte, des Rechts auf Arbeit und des Rechts auf Wohnung. Inzwischen sind zahlreiche Artikel des Grundgesetzes geändert worden, das begann bereits 1968 mit den sogenannten Notstandsgesetzen. 1993 wurde das Grundrecht auf Asyl sozusagen ausgehebelt, Artikel 10 wurde durch Abhörgesetz, Artikel 13 durch Lauschangriff, Artikel 2 durch Verschärfung der Parteigesetze in Bayern eingeschränkt, und der vielgerühmte Artikel 1 zur »Würde des Menschen« gilt für Flüchtlinge inzwischen nur noch begrenzt, seit es »Abschiebehaft« und »Rückführung« auch in Krisengebiete gibt.
Albert Krölls weist in seinem Aufsatz »Die idealisierte Verfassung« nach, dass auch der Artikel 15 (Vergesellschaftung), der jetzt wieder ins Spiel gekommen ist, letzten Endes an der
kapitalistischen Ordnung eines Staates, der über Wirtschaftswachstum frei entscheidet, nicht rüttelt.
An jedem von uns liegt es also, die bürgerlichen Rechte des Grundgesetzes immer wieder zu verteidigen, aber einen Grund, diese »Verfassung« öffentlich zu feiern, sehe ich nicht.