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Leserbrief zum Artikel 50 Jahre »Prager Frühling«: Keine angenehme Wahl vom 21.08.2018:

Tragische Komponente

Den Artikel über die Militärintervention der UdSSR vom August 1968 in der CSSR fand ich ärgerlich. Zwar konzediert der Autor »zahlreiche Konflikte und politische Streitpunkte« vor 1968, auch Rechtsverletzungen, und eine stagnierende Wirtschaft. Aber im Grundtenor führt er die Entwicklung ab dem »Januarplenum« der KPTsch und die breite Zustimmung zu den Reformvorhaben unter Alexander Dubcek auf geheime Missionen aus dem Ausland, auf Manipulation und Verschwörung zurück. Für Reformer wie Ota Sik sei der Prager Frühling »lediglich eine Tarnung für ihre wahren Ziele gewesen«. Solche Erklärungsmuster für gesellschaftskritische Bewegungen kennen wir zur Genüge aus unserem System. Sie bedeuten eine Entmündigung der Bevölkerung. Bei uns im Westen wurde in der Vergangenheit immer die DDR für linke Initiativen verantwortlich gemacht. Der KGB-Vorsitzende Juri Andropow, den der Autor überraschenderweise zitiert, hat sich 1968 klüger und selbstkritischer geäußert, als er meinte: »Im übrigen wären wir gut beraten, die Gründe für das, was in der CSSR geschehen ist, bei uns selbst zu suchen, in der inneren Entwicklung unserer Staaten, in der kommunistischen Bewegung.« Ob mit dem Truppeneinmarsch und mit der Absetzung der Führung der KPTsch der Sozialismus gerettet wurde, ist mehr als zweifelhaft. Es war nicht einfach ein Imageverlust für den sogenannten Realsozialismus. Aber wozu überhaupt nachträglich die Intervention rechtfertigen wollen? Für mich ist die damalige Reaktion der Sowjetführung bis zu einem gewissen Grad verständlich vor dem Hintergrund der seit 1917 erfahrenen Angriffe aus dem feindlichen Ausland, speziell des Vernichtungskriegs Deutschlands. Deshalb wachte man ängstlich darüber, dass der schützende Ring der Warschauer-Vertrags-Staaten nicht aufgebrochen wurde. Ob damit aber der Sozialismus verteidigt wurde? Insofern hat der »Prager Frühling« eine tragische Komponente.
Georg Auernheimer
Veröffentlicht in der jungen Welt am 24.08.2018.
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