Gegründet 1947 Mittwoch, 31. Dezember 2025, Nr. 303
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
30.12.2025, 19:30:02 / jW stärken!
Jahresausblick 2026

Der Zukunft zugewandt

Eine linke Tageszeitung ist nötiger denn je: Wieso wir die Wirkmächtigkeit der jungen Welt erhöhen wollen und müssen
Von Jonas Pohle und Sebastian Carlens
16 Kopie.jpg

Liebe Leserinnen und Leser,

beginnt das Jahr 2026 mit einem weiteren Krieg? Wenn ja: mit welchem beziehungsweise welchen? Alleine die Tatsache, sich solche Fragen stellen zu müssen, verweist auf den Ernst der derzeitigen Lage. Wie immer gilt: In jedem Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Dementsprechend besteht ein Zusammenhang zur bedenklichen Situation bürgerlicher Rechte in der BRD und den Angriffen auf die Pressefreiheit. Auch die kampagnenartigen Attacken auf die Tageszeitung junge Welt nehmen zu. Und, ganz nebenbei, müssen die Kolleginnen und Kollegen aus Verlag und Redaktion jeden Werktag eine lesenswerte Tageszeitung – gedruckt und digital – fertigstellen.

Bereits das nun endende Jahr war turbulent genug. Das Schleifen des Rechtsstaates, das bereits seit Jahren im Gange ist und unter anderem an der jungen Welt, aber auch an den Protesten gegen den Völkermord in Gaza, durchexerziert wird, hat weitere Zuspitzungen erfahren. Mit einem riesigen Polizeieinsatz wollte die Staatsmacht im Februar eine Veranstaltung mit der UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete Palästinas, Francesca Albanese, in den Räumen der jW-Maigalerie verhindern. Ohne Erfolg. Doch das Arsenal der Herrschenden ist keineswegs aufgebraucht. Der jüngste Dreh: Mit EU-Sanktionen gegen missliebige Journalisten vorgehen. Unseren freien Autor Hüseyin Doğru hat dies bereits getroffen. Dies alles passiert ohne Anklage und Verfahren; per administrativem Federstrich wird eine Existenz vernichtet – beziehungsweise die einer ganzen Familie. Sicher, wer solche Methoden nötig hat, ist offenkundig in Panik geraten. Und doch wird hier ein Instrumentarium vorbereitet, das in Zukunft gegen Massenproteste und soziale Bewegungen eingesetzt werden kann und soll – wenn der Aufrüstungs- und Kahlschlagskurs zu erheblichem Unmut in der Bevölkerung geführt haben wird.

Auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar 2025 haben wir die aktuellen politischen Entwicklungen national und international eingeschätzt und analysiert. An dieser Einordnung hat sich leider nichts geändert: Die Zeichen stehen auf Krieg, die Volksrepublik China steht dabei im Fokus. Doch vorher könnten noch andere Länder aus dem Weg geräumt werden, die sich dem imperialistischen Diktat des Westens nicht beugen wollen: Kuba und Venezuela beispielsweise. Mit der Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler einer Union-SPD-Koalition wurde die bereits angekündigte Herstellung der »Kriegstüchtigkeit« und der damit einhergehende Sozialabbau in der BRD zudem rascher vorangetrieben, als viele noch auf der Konferenz geglaubt hatten.

In Zeiten von Kriegsvorbereitungen ist eine Zeitung, die keine »Kriegstüchtigkeit« propagiert, ein Dorn im Auge der Herrschenden. Weswegen diese weiterhin gegen die junge Welt mit allen – auch geheimdienstlichen – Mitteln vorgehen. So soll (erklärtermaßen) die Wirkmächtigkeit der jungen Welt verringert werden. Seit mittlerweile anderthalb Jahren warten wir auf eine Entscheidung des Landgerichts Berlin, ob eine Revision in unserem Prozess gegen die Bundesrepublik Deutschland zugelassen wird oder nicht. Zur Erinnerung: Am 18. Juli 2024 entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Tageszeitung junge Welt weiterhin in den jährlichen Berichten des Verfassungsschutzes als »linksextremistisch« und »verfassungsfeindlich« aufgeführt werden darf. Ein knappes Jahr nach dieser Entscheidung wurde mit Wilfried Peters eben jener Richter zum Präsidenten des Landesverfassungsschutzes in Brandenburg befördert, der diese Entscheidung traf. Er hat sich hinlänglich qualifiziert.

Am 12. April hat die Tageszeitung junge Welt den ersten Rosa-Luxemburg-Preis an den Anfang Dezember verstorbenen Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker verliehen. Sein Vermächtnis, gegen jede Ungerechtigkeit und Kriegstreiberei aufzustehen, bleibt uns ein wichtiges Anliegen. Den nächsten Preisträger bzw. die nächste Preisträgerin werden wir auf der kommenden Rosa-Luxemburg-Konferenz am 10. Januar 2026 in Berlin verkünden.

Auch im Haus gab und gibt es personelle Veränderungen. Ab Anfang Januar 2026 hat der Verlag 8. Mai nun auch offiziell eine neue Verlagsleitung. Mit Katja Koschmieder und André Kutschki übernehmen zwei erfahrene Kollegen. Zum 30. November beendete Dietmar Koschmieder nach über 30 Jahren seine Tätigkeit als Verlagsgeschäftsführer, bleibt aber weiterhin an Bord und steht mit seinen Erfahrungen und Kenntnissen dem Kollektiv zur Verfügung. An dieser Stelle möchten wir ihm noch einmal ganz herzlich danken: Ohne Dietmar gäbe es die junge Welt heute nicht mehr.

Im Herbst 2025 hat die Tageszeitung den täglichen Druck eingestellt und erscheint seither unter der Woche nur noch digital, gedruckt nur noch als Wochenzeitung am Sonnabend. Das ND hat den Schritt für die kommenden Monate angekündigt. Bereits jetzt erscheint es nur noch viermal in der Woche gedruckt. Mit dem Ende der gedruckten Tageszeitungen sinken nicht nur die Relevanz und die Wahrnehmung der Titel, es verschwindet auch ein wichtiges Kulturgut.

Zukunft: Digital & Print

Auch die junge Welt muss selbstverständlich ins Digitale investieren und dort neue Leserinnen und Leser gewinnen. Zugleich wollen wir jedoch an der gedruckten Zeitung, an sechs Tagen in der Woche, festhalten. Von der Notwendigkeit dafür hören wir immer wieder aus der Leserschaft. Zuletzt erreichte uns ein mehrseitiger handgeschriebener Brief von Daniela Klette aus der JVA Vechta: Sie verwies darauf, wie wichtig gedruckte Zeitungen gerade für Inhaftierte seien. Im Knast gäbe es so gut wie keinen Zugang zu Digitalmedien.

Der Ausstieg einiger Zeitungen aus dem Druckgeschäft ist auch Ausdruck der Lage der Branche. Je irrelevanter Zeitungen für die Leserschaft werden, desto größer werden die Auflagenverluste, desto mehr steigen die Preise – ein Kreislauf, der sich auch auf die Infrastruktur auswirkt. Wenn weniger Titel zu den Zustelldiensten oder an die Kioske geliefert werden, werden uns höhere Kosten in Rechnung gestellt. Hier gilt es, mit den beauftragten Logistikern machbare, aber auch finanzierbare Touren zu realisieren. Klar ist aber auch, dass wir allein die nötige Infrastruktur für den täglichen Vertrieb einer gedruckten Zeitung nicht dauerhaft aufrechterhalten können.

Mit dem Verschwinden von Titeln aus den Auslagen der Kioske steigt allerdings auch die Sicht- und Wahrnehmbarkeit der jungen Welt. Also, nutzen wir die Chancen! Für das zweite Quartal planen wir einen Relaunch. Sowohl die Printausgabe soll nach den kurzfristig nötigen Änderungen im Herbst dieses Jahres noch einmal überarbeitet werden als auch die Internetseite, die technisch und grafisch in die Jahre gekommen ist. In den kommenden Monaten wird es darauf ankommen, den Bestand der bezahlten Abonnements weiter zu erhöhen. Davon wiederum hängt ab, welche Investitionen in die Personal- und Lohnentwicklung möglich sind.

Liebe Leserinnen und Leser, wir bedanken uns für Ihre Treue, Ihre Unterstützung und Ihre kritische Begleitung. Wir wünschen Ihnen und unserer jungen Welt ein erfolgreiches Jahr 2026, in dem die Wirkmächtigkeit und die Reichweite der einzigen Tageszeitung gegen Krieg und Sozialabbau weiter steigen werden.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche: