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Aus: Ausgabe vom 15.06.2013, Seite 16 / Aktion

Zu wenig Linksextremisten

Nach Analysen des Innenministeriums ist der Fortbestand der jungen Welt ungewiss
Von Dietmar Koschmieder
Warnhinweise von Hans-Peter ­Friedrich zur jW
Warnhinweise von Hans-Peter ­Friedrich zur jW
Der Feind lauert überall. Und jeder Bürger könnte der Feind sein. Auch deshalb ist Deutschland »Weltmeister der Telefonüberwachung«, wie der Heise-Newsticker schreibt. Nicht nur deutsche Behörden spitzeln und nicht nur das Telefon wird überwacht, das weiß man nicht erst, seit Edward Snowden vor einigen Tagen Fakten zur massiven Internetüberwachung durch US-Behörden enthüllte. Wobei auch dabei der Feind klar ausgemacht ist: Aus braven Bürgern können Whistleblower werden, die ihre spezifischen Kenntnisse von staatlichen Verbrechen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Schon wieder ein Grund mehr, die Überwachung auszuweiten und jeden Bürger unter Generalverdacht zu stellen. Aber auch Medien, die solche Informationen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Vor solchen Journalisten wird dann von Staats wegen gewarnt: Um möglichst viele Menschen von deren Kauf abzuhalten, erwähnt Innenminister Hans-Peter Friedrich in seinem Verfassungsschutzbericht die junge Welt – übrigens als einzige Tageszeitung. Aus guten Gründen: »Die jW versteht sich als marxistische Tageszeitung. Schwerpunkte der Berichterstattung sind die soziale Frage, Antifaschismus und Antimilitarismus«, hieß es im Report des Inlandsgeheimdienstes 2011. Im Bericht 2012, der vergangenen Dienstag vorgestellt wurde, legt Friedrich nach: Die junge Welt »verunglimpft die freiheitliche demokratische Grundordnung pauschal als ›Kapitalismus‹, den sie in einer ›Phase der Zuspitzung wirtschaftlicher und sozialer Widersprüche‹ sieht.« Nach dieser Logik müßten im Bericht des Innenministers allerdings sämtliche in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen unter der Rubrik »Linksextremismus« auftauchen. Denn der Kapitalismus voller wirtschaftlicher und sozialer Widersprüche ist Gegenstand auch ihrer Berichterstattung. Selbst wenn die meisten dabei die Sichtweise der Herrschenden und deren politischen Personals übernehmen.

Wenn dabei ein anderer Klassenstandpunkt eingenommen wird, ist das für diese Dienstleister nur erträglich, wenn es niemanden interessiert. Allerdings verlieren ausgerechnet die meisten anderen Zeitungen rasant an Auflage, während die jW an Zuspruch gewinnt. Deshalb warnt Friedrich im Bericht seiner Behörde: Die junge Welt sei das »bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus (…) mit jährlich 1,6 Millionen verkauften Exemplaren. Die tägliche Auflagenhöhe liegt bei etwa 17000 Exemplaren«. In Wirklichkeit ist alles noch viel schlimmer. Weil die täglich verkaufte Auflage bei 18000 Exemplaren liegt. Und weil die Behörde nicht rechnen kann. Denn bei 305 Erscheinungstagen sind das 5,49 Millionen verkaufte Zeitungen im Jahr. Hinzu kommt eine rasch wachsende Leserschaft im Internet. Immerhin zitiert der Bericht dann aus unseren Verlagsangaben, daß jW täglich 50000 Leserinnen und Leser erreiche – einige Seiten zuvor heißt es, daß Ende 2012 das »linksextremistische Personenpotential« in Deutschland nur noch 29400 Menschen umfassen würde.


Genau da steckt das Problem der Behörde mit der jungen Welt: Um zu erkennen, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Himmel stinken, muß man kein Marxist sein. Es ist nicht nur leicht, soziale Widersprüche zu erkennen, sondern auch, daß sie in den meisten Medien nicht abgebildet werden. Deshalb entdecken immer mehr Lesende bis hinein sogar ins konservative Lager die junge Welt für sich neu. Die ausführliche Erwähnung der jW im Verfassungsschutzbericht dient nur dem einen Ziel: diese Entwicklung aufzuhalten. Friedrich behauptet in seinem Report erstmals: »Der weitere Fortbestand der jW ist aufgrund finanzieller Probleme ungewiß«. Da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Der ist aber auch ein weiterer guter Grund, die junge Welt endlich zu abonnieren.

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