Zehn Tage lang, vom 11. bis zum 21. Februar, hat unsere Delegation aus Redakteuren der jungen Welt und der Musikzeitschrift Melodie und Rhythmus von der 25. Internationalen Buchmesse direkt aus Havanna berichtet. Seit gut einer Woche zieht die Messe jetzt durch alle Provinzen Kubas, wo es bis zum 24. April kleinere Ausgaben des Literaturfestivals gibt.
So können sich auch die Menschen außerhalb der Metropole über Neuerscheinungen der kubanischen Verlage informieren und an zahlreichen kulturellen Veranstaltungen teilnehmen. Eineinhalb Wochen nach der Abschlussveranstaltung in Havanna ist es Zeit für eine Zwischenbilanz.
Wie die Präsidentin des Kubanischen Buchinstituts (ICL), Zuleica Romay, mitteilte, haben 345.000 Besucherinnen und Besucher die Messe und ihre Veranstaltungen in der kubanischen Hauptstadt besucht. Und das, obwohl eine Kaltfront nach der anderen das Land heimsuchte, wie wir am eigenen Leib erlebten. Mehr als 234.000 Bücher wurden verkauft. Die kubanischen Verlage hatten zur Messe über 3.000 Neuerscheinungen oder wieder aufgelegte Werke herausgebracht.
Obwohl die Resonanz von Besuchern, Veranstaltern und Medien überwiegend positiv war, gab es auch Kritik. Die Tageszeitung »Granma« bezeichnete die zehntägige Veranstaltung in Havanna am 29. Februar als »schwierige Messe«. Die Zeitung kritisiert, dass viele Bücher nicht rechtzeitig zur Messe fertig wurden, was bei etlichen Besuchern die Freude getrübt habe. Das ICL hatte bereits zuvor mitgeteilt, dass nur 63 Prozent der angekündigten Neuerscheinungen pünktlich ausgeliefert worden waren.
Trotzdem war die Stimmung gut. Neben der historischen Festung San Carlos de La Cabaña über dem Hafen von Havanna gab es zahlreiche weitere Ausstellungs- und Veranstaltungsorte wie den Pabellón Cuba, das ALBA-Kulturzentrum, die Universität von Havanna, das Kulturinstitut Casa de las Américas oder den Schriftsteller- und Künstlerverband UNEAC, an denen insgesamt hunderte Lesungen, Vorträge und künstlerische Veranstaltungen stattfanden.
Mit Ausstellern und Besuchern aus 37 Ländern fand das diesjährige Kulturfestival, deren Gastland Uruguay prominent vertreten war, auch international wieder Beachtung. Gewidmet war die Messe dem 60. Jahrestag der Landung der Yacht »Granma«, mit der 1956 der bewaffnete Kampf zum Sturz der Batista-Diktatur begann, sowie dem 130. Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei in Kuba.
Trotz mancher Defizite, die noch analysiert werden sollen, zog ICL-Präsidentin Zuleica Romay eine positive Bilanz. Keine kubanische Familie sei von diesem Event ausgeschlossen gewesen, da es sich bewusst von der anderswo geltenden Konzeption unterscheide, Bücher vor allem als Ware anzusehen oder diese den Eliten vorzubehalten. Unsere Delegation kann bestätigen, dass Kubas Buchmesse ihren hohen Anspruch einlöste.
Kuba boomt und eine Nachricht toppt die Besuche von Papst und US-Präsident: Die Rolling Stones wollen im März zum Abschluss ihrer »Lateinamerika Olé Tour 2016« in Havanna auftreten. Die Kulturredaktion des kubanischen Fernsehens bestätigte am vergangenen Donnerstag (Ortszeit) auf ihrer Facebook-Seite entsprechende Verhandlungen mit dem staatlichen Musikinstitut. Danach ist ein Konzert in der 1957 errichteten »Ciudad Deportiva« (Sportstadt) der Hauptstadt geplant.
Die lateinamerikanische »Olé Tour 2016« der Stones startete am 3. Februar in Santiago de Chile und sollte, der bisherigen Planung zufolge, nach 12 weiteren Konzerten in Argentinien, Uruguay, Brasilien, Peru und Kolumbien am 17. März in Mexiko-Stadt beendet werden. Für die »legendäre britische Rockband« sei es die Verwirklichung eines Traumes, als Höhepunkt ihrer Tournee in Kuba zu spielen, schrieb das Nachrichtenportal Noticiero Cultural de Cuba. Der Termin des Konzerts wurde offiziell noch nicht genannt. Nach bisher nicht bestätigten Informationen der jungen Welt hat das Management der Stones jedoch bereits hunderte Hotelzimmer für den Zeitraum vom 19. bis 22. März angefragt, eine zeitliche Überschneidung mit dem Besuch von US-Präsident Barack Obama am 21. und 22. März. In Vorbereitung des Havanna-Konzerts hatte sich Mick Jagger Anfang Oktober letzten Jahres bereits für mehrere Tage in der kubanischen Hauptstadt aufgehalten.
Kuba hat für die junge Welt eine besondere Bedeutung: Die Notwendigkeit eines Mediums der Gegeninformation, das bürgerlicher Wahrnehmung und Interpretation von Realitäten, aber auch der bewussten Lüge etwas entgegensetzt, lässt sich am Beispiel Kubas besonders gut nachweisen. Seit Jahren begleiten wir deshalb die revolutionären Prozesse in diesem Land, meistens allerdings vom europäischen Kontinent aus. Gut, dass wir mit Volker Hermsdorf einen Reporter haben, der oft vor Ort ist. Und regelmäßig besuchen wir mit einer Journalistendelegation Kuba. In den letzten Jahren geschah dies vor allem im Rahmen unserer Auftritte mit dem Berliner Büro Buchmesse Havanna. Die Notwendigkeit eines eigenen Auftritts auf der Messe stellt sich heute zwar nicht mehr - die Notwendigkeit, die aktuellen Prozesse in Kuba selber in Augenschein zu nehmen, wächst hingegen. Unsere Delegation 2016 soll deshalb Eindrücke sammeln, Gespräche führen, Kontakte knüpfen.
Unser letzter gemeinsamer Besuch in Kuba liegt fünf Jahre zurück. Damals wurden gerade sehr intensiv die Entwürfe für die Lineamientos (Leitlinien) diskutiert, mit denen der kubanische Sozialismus an die neuen aktuellen Bedingungen angepasst werden soll. Die damals vorgelegten Vorschläge wurden aufgrund tausender Diskussionen und zigtausender Änderungsanträge zu den 313 Leitlinien weiterentwickelt, die dann auf dem VI. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (April 2011) beschlossen wurden. Nun steht der nächste Parteitag an, der im April 2016 Rechenschaft zum in der Praxis Erreichten ablegen und Erfahrungen aufarbeiten soll. Die Notwendigkeit der Veränderungen waren damals unumstritten. In den revolutionären Elan, diese anzupacken, mischten sich allerdings auch viel Skepsis und Unsicherheit: Wird das zu schaffen sein? Geht man den richtigen Weg? Wie schwerwiegend sind die Begleiterscheinungen dieses Prozesses?
Schon bei unseren früheren Besuchen hier auf Kuba konnten wir feststellen, dass dieses Land vor neuen historischen Herausforderungen noch nie die Augen verschlossen hat, sondern immer mit offenem Visier kämpfte – und das selbst in scheinbar hoffnungslosen Ausgangssituationen. Die Blockade, der Wegfall der wichtigsten Handelspartner und die sich daraus ergebenden Konsequenzen nach 1989, die Spezialperiode, die Weltwirtschaftskrise, aber auch die neuen Möglichkeiten und Partner in Lateinamerika, immer zogen die kubanischen Revolutionäre Schlussfolgerungen in Theorie und Praxis, und immer mit dem Ziel, die Revolution und ihre wesentlichen Errungenschaften zu verteidigen.
Vor fünf Jahren waren erste Auswirkungen der neuen Entwicklung spürbar, die uns europäischen Linken nicht gefallen konnten: Erste Plakate und Werbebanner für Maggi und Nestle trübten das schöne Bild von der vom Konsumterror befreiten Karibikinsel. Und viele Befürchtungen wurden diskutiert: Hunderttausende sollen aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden und sich in Kooperativen oder als Selbstständige neue Arbeitsfelder suchen? Wie werden Heerscharen von Kleingewerbetreibenden das Bewusstsein und die Charaktere der Menschen verändern? Nicht nur Linke schauten skeptisch auf diese Prozesse, auch europäische Reisebüros vermarkten bis heute solche Spekulationen für ihre Zwecke: „Besuchen Sie das ursprüngliche revolutionäre Kuba, solange es ein solches noch gibt.“ „Noch mal rasch nach Havanna, bevor der Kapitalismus hier endgültig zuschlägt.“ Die Annäherung zwischen Kuba und den USA verstärken diesen Trend.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Es gibt in der Praxis viele Veränderungen - und wir sind von den meisten angenehm überrascht! Ja, es gibt mehr internationale Markenartikel in Havanna zu kaufen, ihre Präsenz im Stadtbild hat aber eher abgenommen. Auf unsere erstaunte Frage, wie dies möglich sei, antwortet Kenia Serrano, Präsidentin des Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP), kurz und selbstbewusst: „Etwas anderes wäre nicht unser Stil!“ Und tatsächlich gibt es wesentlich mehr selbständige Kleinunternehmer, eine deutlich verbesserte Infrastruktur, eine entspannte Versorgungslage. Die Stimmung ist gut.
Beispiel Nahverkehr in Havanna: Noch sind die Busse sehr voll, mit denen man für weniger als einem nationalen Peso sein Ziel erreichen kann. Darüber hinaus aber gibt es Sammeltaxi-Linien: Man winkt sich den alten Chevrolet heran, nennt sein Ziel und wenn es auf der Route des Taxis liegt, steigt man ein. Der Fahrer erhält 10 nationale Pesos von jedem Fahrgast (egal ob Kubaner oder Tourist) und zahlt eine pauschale Abgabe sowie eine Umsatzbeteiligung an den Staat. Darüber hinaus fahren gelbe Kleinbusse einer Taxikooperative, die man ebenfalls auf der Linie heranwinkt und mit denen man für fünf nationale Peso sein Ziel erreichen kann. Natürlich gibt es nach wie vor offizielle und inoffizielle Taxis, die individuell für den Fahrgast ein Ziel ansteuern. Hier sind die Preise aber niedriger als früher – weil es eben Alternativen gibt (Touristen, die nicht aufpassen, zahlen natürlich wie immer viel zu viel).
Beispiel Gastronomie und Lebensmittel: Eine Vielzahl staatlicher und privater gastronomischer Einrichtungen bietet eine große Auswahl unterschiedlicher Angebote – für die Kubaner wie für die Touristen. Und es sind auch etliche dabei, die außergewöhnliche Qualität zu erschwinglichen Preisen auf den Tisch bringen. Die Zahl der Märkte, auf denen frisches Obst und Gemüse erworben werden kann, hat deutlich zugenommen – wie auch deren Angebot. Besonders heftig umstritten war vor fünf Jahren der Plan, die Vergabe von Libretas (Bezugsscheine für Lebensmittel zum symbolischen Preis) auf jene zu beschränken, die dieser dringend bedürfen. Dieses System wurde bis heute nicht angerührt, viele halten das aber für veränderungswürdig. Wieso sollen beispielsweise jene, die durch die neuen Möglichkeiten zu den Gutverdienenden gehören und sich problemlos auf den Märkten bedienen können, gleichermaßen mit der Libreta staatlich gefördert werden wie jene, die darauf angewiesen sind?
Differenzierter und besser bezahlt als noch in den letzten Jahren werden heute die im staatlichen Sektor Beschäftigten. Es verschärft sich aber das Problem, dass die neuen Selbständigen oder im Tourismus Arbeitende oft über ein deutlich besseres Einkommen verfügen. Damit sie die neuen Möglichkeiten der Versorgung und Infrastruktur nutzen können, arbeiten viele nach ihrem Achtstundentag im staatlichen Bereich noch zusätzlich im privaten Sektor – was nicht zur Verbesserung der Arbeitsqualität führt. Dieses Problem haben Politik und Gewerkschaft erkannt und setzen sich zum Ziel, dass die Arbeit im Beruf für alle zur entscheidenden Einkommensquelle werden muss.
Insgesamt scheint uns die Stimmung gelöster, entspannter als vor fünf Jahren. Es verändert sich etwas im Land und die Kubaner merken das. Sie trauen ihrer Regierung zu, die weitere Entwicklung im Land zu meistern, trotz allgegenwärtigem Klagen über zu viel Bürokratie. Vor allem aber scheint sich in der Bevölkerung das Bewusstsein zu verstärken, dass für die Aktualisierung des Sozialismus nicht nur die Regierung zuständig sein kann: Selber tun gilt als Handlungsmaxime auch in Kuba.
Das Telefon klingelt. „Estás la Katja de Alemania?“, fragt eine rauhe Stimme. „Ja, das bin ich“, antwortet Katja, „aber mit wem spreche ich denn?“ Katja fällt fast vom Stuhl, als sie zur Antwort bekommt: „Soy Omara!“
Die Musikerin Omara Portuondo wurde weltberühmt durch ihre tragende Rolle in Wim-Wenders-Film Buena Vista Social Club. Das war 1998, sie war damals 68 Jahre alt, also eine der Jungen im Club. Eine bewegte und bewegende Geschichte lag da bereits hinter ihr: Auftritte mit Frank Sinatra und dem großen Nat King Cole, die kubanische Revolution, viele Soloplatten. Schließlich kam Ry Cooder nach Kuba, um die legendäre Scheibe zu machen, die die Grundlage von Wenders Film werden sollte. Erst vor wenigen Monaten trat Omara im Weißen Haus vor dem US-Präsidenten auf, Anlass war die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten.
Unsere Delegation hier in Havanna sammelt Material für die Sommerausgabe der Musikzeitschrift Melodie und Rhythmus. Der Arbeitstitel für das Heft lautet „Kubanische Musik ist mehr als Buena Vista Social Club“. In Deutschland und Europa hat man in der Regel keine Ahnung von der vielfältigen Musik und Kultur, die durch die Revolution der Bärtigen auf der Karibikinsel möglich wurden. Afrokubanische und europäische Wurzeln haben schon vorher eine prägende Rolle gespielt, hinzu kommt jetzt aber, dass das neue Bildungssystem viele bestens ausgebildete Musiker aller Genres hervorbringt – wahrscheinlich mehr als sonst irgendwo auf der Welt gemessen an der Zahl der Einwohner. Wir treffen deshalb bekannte Vertreter des Jazz, Hip-Hopp, Nueva Trova, Rumba, der Klassik und des Chorgesangs. Aber uns ist klar, dass die M&R-Kubaausgabe ohne die alte Garde nicht auskommen wird. Deshalb bemühen wir uns um ein Interview mit der legendären Omara Portuondo und suchen Kontakt über ihr Management, treffen sie dann aber tatsächlich einfach so in Havanna. Schon bei dieser ersten zufälligen Begegnung sind wir von ihrer Herzlichkeit und ihrem spitzbübischen Humor begeistert. Völlig beeindruckt sind wir, als Omara das Heft in die Hand nimmt, Katja anruft und das Interview selbst organisiert. Um ehrlich zu sein, wir trauen unserem Glück erst, als Omara kurz vor dem abgesprochenen Interviewtermin erneut anruft, um sicher zu gehen, dass alles wie geplant funktioniert.
In der Lobby des Hotels Capri findet das Treffen statt. Omara erzählt fast zwei Stunden über ihr Leben, ihre Erfahrungen und ihre Haltung zur kubanischen Revolution. Näheres dazu wird man in der Juli/August-Ausgabe der Melodie&Rhythmus nachlesen können – und in der jungen Welt. Übrigens: Wer diese außergewöhnliche Persönlichkeit und Musikerin live erleben will, sollte sich unbedingt den 6. Juli 2016 vormerken: Da wird Omara Portuondo in Mainz (Zitadelle) auftreten – zusammen mit dem großartigen spanischen Musiker und Kubafreund Diego el Cigala. Präsentiert wird das voraussichtlich einzige Deutschlandkonzert dieser beiden Ausnahmekünstler von der Musikzeitschrift Melodie & Rhythmus.
Zum Ende der Buchmesse in Havanna wurde die erste Biographie über Raúl Castro vorgestellt.
Die 25. Internationale Buchmesse in Havanna schloss am Sonntag ihre Pforten. In den kommenden Wochen zieht sie durch die anderen Provinzen des Landes. Am Samstag war der größte Vorstellungssaal auf der historischen Festungsanlage an der Hafeneinfahrt noch einmal fast aus allen Nähten geplatzt. Hunderte Besucher aller Altersgruppen verfolgten gespannt die Vorstellung der Raúl-Castro-Biographie des russischen Publizisten Nikolai S. Leonow. In russischer und spanischer Sprache erschienen, ist »Un hombre en Revolución« die weltweit erste Biographie über Rául.
Zum 25. Geburtstag der Solidaritätsorganisation Cuba Sí hatte das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) am 19. Februar in ihr »Casa de Amistad« (Haus der Freundschaft) geladen. Unter den zahlreichen Gästen, um nur einige zu nennen, befanden sich Noel Carillo, der Europakoordinator im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas, der Europadirektor des Außenministeriums Elio Rodríguez, der Held der Republik Kuba, Fernando González (Cuban Five), Rafael Domínguez, Präsident der Kubanischen Vereinigung für Tierproduktion (ACPA), der ehemalige Botschafter Kubas in Deutschland, Gerardo Peñalver, der heute für bilaterale Beziehungen im Auswärtigen Amt verantwortlich ist, außerdem die Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Petra Wegener und die Delegation von junge Welt und Melodie und Rhythmus.
Der erste ICAP-Vizepräsident Elio Gámez erinnerte in seinen Grußworten an die guten Beziehungen und die Freundschaft zwischen Kuba und der DDR, die mit deren Untergang schlagartig unterbrochen wurde. Für die Bevölkerung der sozialistischen Karibikinsel habe der Systemwechsel im Osten Deutschlands schmerzhafte Nachteile gebracht, sagte Gámez. So habe die Bundesregierung zum Beispiel die von der DDR vertraglich zugesicherte Lieferung von Milchpulver für Kubas Kinder einfach eingestellt. Für Kuba sei es eine große materielle und moralische Hilfe gewesen, dass Menschen in Deutschland im Jahr 1991 die Organisation Cuba Sí gegründet und versucht hätten, mit der Kampagne »Milch für Kubas Kinder« die größte Not etwas zu lindern. »Die DDR ist zwar verschwunden«, sagte Gámez, »aber die Verbindung und Freundschaft zu unseren deutschen Genossen ist geblieben.« Heute sei Kuba weniger als in der Sonderperiode auf materielle Hilfe, dafür aber um so mehr auf die politische Solidarität im Kampf für die Beendigung der US-Blockade, die Rückgabe des besetzten Gebietes in der Bucht von Guantánamo und die Einstellung der subversiven Programme zur Beseitigung des sozialistischen Gesellschaftsmodells angewiesen. »Wir versichern Euch und unseren Freunden in aller Welt, dass wir Euch nicht enttäuschen werden«, schloss Gámez und versprach: »Alles, was wir in unserem Land an Veränderungen durchführen, dient einzig und allein dem Ziel, den sozialistischen Prozess zu stärken.«
Justo Cruz und Jörg Rückmann von Cuba Sí dankten im Namen der Mitglieder ihrer Organisation und erinnerten daran, dass das ICAP am 30. Dezember 2015 ebenfalls ein Jubiläum, allerdings bereits den 55. Jahrestag seiner Gründung, feierte. Dazu überreichten sie ICAP-Präsidentin Kenia Serrano das Bild einer Laserprojektion auf die Fassade des Karl-Liebknecht-Hauses in Berlin, mit der am 17. Dezember 2015 unter anderem die Forderung nach Beendigung der US-Blockade gegen Kuba propagiert worden war. Musikalisch wurde die Feier von Eduardo Sosa (Kuba) und Tobias Thiele (BRD) begleitet.
Im Anschluss an den offiziellen Teil gab es viele interessante Gespräche über Solidaritätsprojekte und über die Möglichkeiten, der massiven Desinformation durch die Mehrzahl der Medien Alternativen entgegenzusetzen. Etliche kubanische Teilnehmer, darunter Kenia Serrano, Fernando González und ICAP-Europadirektorin Gladys Ayllón zeigten großes Interesse an der jungen Welt und ihren Projekten. Wir versprachen, uns weiter und verstärkt darum zu bemühen, zu drucken, wie Politiker und die großen Medien lügen und zu veröffentlichen, was andere verschweigen.
»Cuban Five« setzen sich weiter für Inhaftierte in USA ein. Ein Gespräch mit Ramón Labañino
Ramón Labañino gehört zu den als »Cuban Five« international bekannt gewordenen kubanischen Aufklärern, die in den USA antikommunistische Terrororganisationen unterwanderten. Nach mehr als 16 Jahren Haft wurde er am 17. Dezember 2014 freigelassen und konnte nach Kuba zurückkehren
Nach Havanna darf jeder kommen, auch Barack Obama. Große Illusionen machen sich die Kubaner vor dem Besuch des US-Staatschefs allerdings nicht.
US-Präsident Barack Obama, der mit Ehefrau Michelle auf dem Weg nach Argentinien am 21. und 22. März einen Abstecher nach Havanna machen will, ist im sozialistischen Kuba willkommen. Die im dortigen Außenministerium für die Beziehungen zu den USA zuständige Abteilungsleiterin Josefina Vidal erklärte Ende vergangener Woche, dass ihr Land an Gesprächen über jedwedes Thema, einschließlich der Menschenrechte, interessiert sei. Die Diplomatin drückte zugleich ihre Besorgnis über die Menschenrechtslage in den USA aus. Darüber werde von kubanischer Seite mit Obama gesprochen werden, kündigte sie an. Zugleich betonte sie die Auffassung ihrer Regierung, dass der Dialog von beiden Seiten auf der Basis des gegenseitigen Respekts, der Gleichberechtigung und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten geführt werden müsse.
US-Präsident besucht im März sozialistische Karibikinsel
US-Präsident Barack Obama wird zwischen dem 21. und 22. März nach Kuba reisen. Die spektakuläre Nachricht wurde in der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) zunächst exklusiv vom US-Fernsehkanal ABC News und später auch von CNN und anderen Medien verbreitet. Das Weiße Haus bestätigte die Meldung am Donnerstag. Havanna wird demnach allerdings nur eine Station während einer Lateinamerikareise des US-Präsidenten sein
Wo wir auch hinkommen - Kultur an jeder Ecke in Havanna. Neben viel Literatur und Musik haben wir in der Altstadt das Haus des berühmten ecuadorianischen Malers Oswaldo Guayasamín entdeckt, das nach seinem Tod im Jahr 1999 in ein Museum umgewandelt wurde. Eröffnet wurde es am 8. Januar, also genau an dem Tag, an dem die bärtigen Rebellen vor 40 Jahren nach der siegreichen Revolution in Havanna einzogen.
Der Stadthistoriker Eusebio Leal unterstützte den Wunsch des Malers nach einem Haus in Havanna unter der Auflage, dass es sich um ein altes Gebäude handelt, das restauriert werden muss. Im Zuge der Rekonstruktion entstand im Erdgeschoss eine Kunstgalerie und oben der Wohnbereich. Allerdings verbrachte Guyasamin immer nur wenige Tage am Stück in seinem Haus in Havanna und wenn, dann schlief er nicht dort, sondern arbeitete oder unterhielt sich durch das offene Fenster seines Ateliers mit den Nachbarn und umgab sich mit Freunden.
Nach Kuba hatte es den Künstler erstmals 1961 verschlagen, weil er den Revolutionsführer Fidel Castro porträtieren wollte – was aber schwierig war. Der Comandante konnte nicht länger als 15 Minuten am Stück stillhalten, weil er ständig von Menschen nach seinem Rat gefragt wurde. Jahre später, 1981 und 1986, porträtierte der Maler Fidel Castro weitere Male. Diese Bilder, aber auch Portraits von Raúl Castro und Silvio Rodriguez, Akte, Siebdrucke und Skulpturen sind heute im Museum zu sehen.
Als wir gehen, kommt eine Schulklasse in den Ausstellungsraum. Die siebenjährigen Jungen und Mädchen setzen sich in einem Kreis in die Mitte des Saals auf den Boden. Ihre Lehrerin teilt Buntstifte und Blätter aus, um sie in dieser kreativen Atmosphäre malen zu lassen. Sie können ein Bild Guayasamins auswählen oder einfach das zeichnen, wonach ihnen ist. So entstehen neben Herzchen und Häusern auch ein Fidel und schöne bunte Frauenköpfe nach dem Vorbild des ecuadorianischen Malers.
Die Rolle der Medien in der heutigen Gesellschaft war das Thema, über das Redakteure der Tageszeitung junge Welt am Donnerstag (Ortszeit) im ALBA-Kulturzentrum (Casa del ALBA Cultural) in Havanna diskutierten. Auf dem Podium informierten der Geschäftsführer des Verlags 8. Mai, Dietmar Koschmieder, jW-Auslandschef André Scheer und der Kuba-Korrespondent der jungen Welt, Volker Hermsdorf.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die immer schlechtere Qualität der journalistischen Arbeit in den meisten Medien der Bundesrepublik. Scheer hob die zunehmende Konzentration der Presselandschaft hervor: Die meisten regionalen und überregionalen Tageszeitungen gehören inzwischen wenigen Konzernen. Zugleich werden die Redaktionen immer weiter verkleinert, so dass den verbleibenden Redakteuren jede Möglichkeit zu gründlicher Recherche genommen wird. In der Folge bestimmt praktisch die Deutsche Presseagentur die Linie der Berichterstattung. Hermsdorf ergänzte, dass dies auch für die Arbeit der Korrespondenten in Kuba gilt. Die wenigsten europäischen Medien seien überhaupt in Havanna vertreten, sondern würden ihre Vertreter aus Mexiko-Stadt oder anderswo für Tage nach Kuba schicken. Wer von diesen aus der Reihe tanzt, spielt mit seinem Job.
In der Diskussion erinnerte Justo Cruz von Cuba Sí an die Einmischung der deutschen taz in Kuba. Junge Medienschaffende werden von diesem zu Unrecht noch als links oder alternativ geltenden Blatt und dessen Panther-Stiftung nach Deutschland eingeladen, wo ihnen dann die Vorzüge der kapitalistischen Medienlandschaft vorgeführt werden. Aufgabe der Solidaritätsbewegung sei es, dem ein Gegengewicht entgegenzusetzen. (jW)
Zwei Bücher, fünf Helden: Die Cuban Five auf der Buchmesse Havanna
Die als »Cuban Five« bekannten fünf Aufklärer haben am Montag gleich auf zwei Veranstaltungen bei der Buchmesse Havanna gesprochen. Im größten Saal »Nicolás Guillén« stellte am Vormittag zunächst der kanadische Autor und Journalist Stephen Kimber die aktualisierte kubanische Ausgabe seines Buches »What Lies Across the Water« (deutscher Titel: »Diesseits und jenseits der Straße von Florida«) über deren Geschichte vor. Mit Antonio Guerrero, Fernando González, Gerardo Hernández, Ramón Labañino und René González sowie der Vorsitzenden des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP), Kenia Serrano, auf dem Podium beschrieb Kimber die fünf Helden der Republik Kuba als Beispiele der Aufrichtigkeit
Ein Teil unserer Delegation ist bei Deborah untergebracht. Ihre Wohnung befindet sich im obersten Stockwerk eines elfgeschossigen Plattenbaus fast am Malecón, Havannas Uferpromenade. Vom großen Wohnzimmerfenster fällt der Blick direkt auf den Atlantik, rechts ragt nur das hellgrün gestrichene Hotel Riviera in den blauen Himmel. Die Geschichte der beiden Häuser stehen für die Geschichte Kubas.
Das Riviera wurde in den 50er Jahren erbaut: Der US-amerikanische Mafiaboss Meyer Lansky steckte einen Teil des Geldes, das er mit Drogenhandel, Glücksspiel und Prostitution in Kuba zusammenraffte, in diese Immobilie – um sie dann für Drogenhandel, Glücksspiel und Prostitution zu nutzen. Bis die kubanische Revolution 1959 diesem Treiben ein Ende setzte. Ganz anders die Geschichte des Plattenbaus: Bis Anfang der 70er Jahre gab es hier nur Felsen. Das neue Kuba schickte ab Anfang der 60er Jahre Arbeiter, die zum Teil noch Analphabeten waren, als Diplomaten der Würde und der Revolution in den Auslandsdienst. Für die Zurückkehrenden musste Wohnraum geschaffen werden. Diplomaten des Außenministeriums erklärten sich bereit, ein großes Wohnhaus für die Genossen zu bauen und bekamen dafür das Felsgrundstück vom Staat geschenkt. Nach DDR-Vorbild gründeten sie Mikrobrigaden, um das Wohnungsproblem zu lösen. Sie bekamen ihr Gehalt weiter – bauten aber in ihrer Arbeitszeit den Elfgeschosser nach den Plänen eines jugoslawischen Architekten. So entstand von 1973 bis 1978 eines von drei Häusern in Havanna, die erdbebensicher sind. Einer der Brigadisten war Deborahs Vater, er durfte sich nach der Fertigstellung eine der 152 Wohnungen für sich und seine Familie aussuchen. Deborah hat dann die Wohnung von ihrem Vater geerbt. Nach diesem Muster entstanden viele Häuser und Wohnungen im ganzen Land.
Wem aber gehören nun diese Wohnungen? In Kuba ermittelt eine staatliche Kommission deren Wert. Sechs Prozent des Einkommens des Hauptverdieners wird als Miete verlangt. Aus diesen beiden Werten wird dann berechnet, zu welchem Zeitpunkt die Wohnung in das Eigentum des Mieters übergeht. Danach müssen nur noch die Nebenkosten bezahlt werden. Um Spekulation zu verhindern, war der Weiterverkauf bis vor kurzem ausgeschlossen. Dieser Hintergrund ist einer der Gründe, warum viele Kubaner nicht sonderlich scharf darauf sind, dass ehemalige Eigentümer mit ihren Besitzansprüchen auf die Insel zurückkehren. Zumindest bei Deborahs Wohnung dürfte aber auch das kein Problem sein, denn der ungenutzte Felsengrund wurde vom Staat geschenkt und das Haus erst im revolutionären Kuba erbaut.
Anders ist das beim Hotel Riviera. Heute sind dort neben Touristen auch Patienten aus Lateinamerika untergebracht, die in Kuba ärztlich versorgt werden. Im Rahmen der sich verändernden Beziehungen zwischen den USA und Kuba machen sich alte Mumien oder deren Nachfahren wieder Hoffnungen auf schmutzige Geschäfte: Die Nachfahren des Mafiosi Meyer Lansky haben jedenfalls schon mal vorsorglich ihre Ansprüche auf das Riviera vor US-amerikanischen Gerichten geltend gemacht.
Die Casa Bertolt Brecht, ein Kulturhaus, das früher einmal die Synagoge Bet Shalom beherbergte – das Hinweisschild an der Straße und der Davidstern am Eingang sind stumme Zeugen davon – ist ein sehr vielfältiges Haus. Die Synagoge selbst zog vor einiger Zeit ein paar Straßen weiter in ein anderes Gebäude. Nun werden hier Theaterstücke aufgeführt, regelmäßig stehen auch Werke von Brecht auf dem Programm. Im Untergeschoss des Gebäudes befindet sich aber auch ein kleiner Club, in dem jeden Abend Musiker auftreten. Legendär sind die Veranstaltungen am Mittwoch. Dann gibt sich dort ab 23 Uhr die Musikszene Kubas die Klinke in die Hand.
An einem normalen Wochentag hat das Café auf der Terrasse für Jedermann geöffnet. Der Kaffee schmeckt uns, und so kommen wir ins philosophieren. Irgendwann landen wir bei der veränderten Rolle der Kuba-Solidarität in Deutschland. Wir sind uns einig, dass materielle Hilfe, wie sie in den 90er Jahren nötig war, heute den Bedürfnissen der roten Insel nicht mehr in der selben Weise angemessen ist. Und so entspinnt sich ein Brainstorming zwischen Auslandsredaktion der Zeitung junge Welt, der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba und der Solidaritätsgemeinschaft Granma. So sind wir uns einig, dass das Interesse an Informationen aus erster Hand nach wie vor ungebrochen ist. Dieser Wissensdurst kann aber nicht ausschließlich über Rundreisen von Funktionären und Experten abgedeckt werden, die maximal einige hundert Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erreichen.
Ob die Idee eines Internetportals mit fundierten Informationen über die Geschichte und Gegenwart Kubas umgesetzt werden wird, werden wir in Deutschland weiter bereden müssen. Unser nächster Termin steht an.
Cuba öffnet sich, aber die Grenzkontrollen bleiben gründlich. Bei unserer Einreise werde ich aus der Schlange bei der Zollabfertigung herausgewunken. Sie wissen, woher auch immer, dass sich in meinem Reisegepäck ein Stapel neuer Bücher befindet. Womöglich Handels- oder gar subversive Ware? Jedenfalls muss ich unter kritischen Blicken der Beamten den Koffer öffnen. Die Gesichtsausdrücke werden milder, wirken gar überrascht, als ich ihnen den Fotobildband mit den Fidel-Castro-Portraits Roberto Chiles zeige. Trotzdem soll ich von einem Band die Folie entfernen, damit sie den Inhalt prüfen können. Zu dritt stecken sie jetzt die Köpfe in das Buch, blättern interessiert darin. Und als wir ihnen erklären, dass es sich um Belegexemplare handelt, die wir für Roberto Chile mitgebracht haben, mischt sich unter die Freundlichkeit in den Gesichtern Respekt. Der Koffer wird nicht weiter kontrolliert, ich darf einpacken und das freie Kuba betreten. Mein Kollege Gerd Schumann braucht dazu etwas länger. Bei ihm wollen sie im Gepäck „Electronics“ erspäht haben, können es dann aber kaum glauben, als sie nichts finden.
Drei Tage später empfängt uns Roberto Chile herzlich in seinem gepflegten kleinen Häuschen im Stadtteil Playa. Die Wohnräume hängen voller beeindruckender Werke von kubanischen Malern und Grafikern. Die Sammlung begann damit, dass sich Künstler mit ihren Arbeiten für Robertos Portraitfotografien bedankten. Nach dem Auszug seiner Tochter hat er die Wohnung im zweiten Stockwerk als Atelier und kleinen Ausstellungsraum ausgebaut. Dort zeigt er uns manche mittlerweile vertraute, aber auch uns noch unbekannte fotografische Werke. Bei herrlichen tostones (frittierte Bananen) und Cuba Libre erzählt er uns die Geschichte von der deutschen Ausgabe von „Fidel es Fidel“, die wir bei der Ausstellungseröffnung in der Ladengalerie der jungen Welt mit einer Widmung für Fidel Castro an die Botschaft überreicht haben. Fidel hat sich die Widmung vorlesen lassen und sei beeindruckt von unserem Engagement und der Freundlichkeit, teilt uns Roberto mit, der dies direkt von Fidels Frau erfahren hat. Nach seinen Informationen geht des dem Comandante ausgezeichnet.
Wir sprechen mit Roberto auch über unser Cuba-Musik-Projekt der Zeitschrift Melodie & Rhythmus. Er erklärt sich bereit, Aufnahmen bei Gesprächen mit Musikern für uns zu machen und Kontakte zu sehr guten Konzertfotografen herzustellen. Am Ende des Besuchs lässt er es sich nicht nehmen, uns persönlich in seinem Lada zurück zu unserer Unterkunft zu chauffieren. Bei einer herzlichen Umarmung betont er noch einmal, wie wichtig es für ihn und Kuba sei, solche Freunde zu haben.