Kleines Stück vor, großes zurück
Von Ina Sembdner
Warum sollte es Menschen mit Behinderungen unter einem Blackrock-geschulten Kanzler besser gehen, als anderen marginalisierten Bevölkerungsgruppen ohne wirkmächtige Lobby? Rund um den vor 30 Jahren von den Vereinten Nationen ausgerufenen »Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen« am 3. Dezember gibt es weltweit Aktionen und Veranstaltungen, die dazu dienen sollen, die Belange Betroffener ins Rampenlicht zu rücken. Es ist aber auch Gelegenheit, nach wie vor existierende Missstände aufzuzeigen und Kritik an einer auf die Schwächsten der Gesellschaft abzielenden Kürzungspolitik zu üben.
So warnen etwa die Fachverbände für Menschen mit Behinderung in einem Positionspapier vom 27. November mit dem Titel »Recht auf Teilhabe sicherstellen« vor »Kostensenkungen, die auf dem Rücken der Leistungsberechtigten ausgetragen werden«. Die fünf Fachverbände, die rund 90 Prozent der Dienste und Einrichtungen für Menschen mit geistiger, seelischer, körperlicher oder mehrfacher Behinderung in Deutschland repräsentieren, erinnern daran, dass Teilhabe ein Menschenrecht ist und dieses ebenso wie die Menschenwürde »auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten gelten« müsse. Konkret stellen sie sich gegen geplante Änderungen bei der Eingliederungshilfe, und fordern unter anderem, dass Betroffene ihren Wohnort selbst wählen können, sowie die Abschaffung der Einkommens- und Vermögensheranziehung. »Eine inklusive Gesellschaft stellt notwendige Unterstützungsleistungen kostenfrei zur Verfügung.«
Aber auch auf dem Arbeitsmarkt sieht es schlecht aus. Der Verein »Aktion Mensch« veröffentlichte am 28. November eine Studie des Handelsblatt Research Instituts, der zufolge ein aus verschiedenen Teilbereichen berechneter Indikator schon das zweite Jahr in Folge gesunken ist. So sei die Erwerbslosenzahl von schwerbehinderten Menschen deutlich angestiegen und liege fünf Prozent über dem Vorjahreswert. Ein Zusammenhang mit der steigenden Zahl an Firmen, die trotz gesetzlicher Pflichtvorgabe keine Schwerbehinderten beschäftigen, liegt auf der Hand. Davon berichtet auch Ralf Wurzbacher in dieser Beilage. Hinzukommt, dass sich die Konzerne nicht nur davon freikaufen können, sondern die »Ausbeutung mit Herz« noch gefördert wird mit dem Festhalten an den sogenannten Werkstätten für behinderte Menschen. Gitta Düperthal hat sich beim Demonstrieren in Frankfurt am Main von Betroffenen die Bandbreite der Probleme schildern lassen, denn selbst »einfachste Bedürfnisse« stellen Menschen mit Einschränkungen und ihre Angehörigen vor schwerwiegende Probleme.
Die stellen sich für Frauen und Mädchen mit Behinderung noch einmal verschärft dar. Yaro Allisat legt die Zahlen zu Gewalt und sexuellen Übergriffen in »Weiblich, behindert und bedroht« offen, schildert aber ebenso, wie sich die Bewegung behinderter Frauen in den vergangenen 30 Jahren Gehör erkämpft hat. Von organisiertem Widerstand berichtet auch Claudia Wrobel und zeichnet den Weg »Von der Krüppelbewegung zur Pride Parade« nach. Zumindest in der gesellschaftlichen Wahrnehmung lässt sich da ein Fortschritt ausmachen, Themen wie Diskriminierung und fehlende Anerkennung der eigenen Expertise sind aber noch immer Alltag. Dagegen haben sich auch betroffene Frauen in Uganda zusammengetan, wie Sara Meyer in »Selbstorganisierte Selbstermächtigung« berichtet. Die oft von der Kinderkrankheit Polio fürs Leben gezeichneten Frauen helfen nun anderen Kindern und Familien, ein Leben in Würde mit einer sinnvollen Aufgabe zu führen.
Arjun Pfaffstaller hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim in Österreich inklusiv umzugestalten, und schildert im Gespräch mit Barbara Eder die Herausforderungen. Denn »erst im Zusammenspiel entsteht ein zugänglicher Ort«, erklärt der Projektleiter. Und selbst dann sei die Herstellung von Barrierefreiheit ein steter Prozess der Evaluation und Anpassung. Negativ passen sich aktuell Regierungen an den »Trend« zu Aufrüstung und Krieg an, wie Mawuena Martens schreibt, und sorgen für ein »Comeback der Minen« – inklusive Opfern mit abgerissenen Gliedmaßen, deren Zahl sich innerhalb von vier Jahren verdreifacht hat.
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