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Aus: Ausgabe vom 18.05.2006, Seite 15 / Feuilleton

XXXXXL

Seit etwa 30 Jahren steigt die Zahl der Übergewichtigen in den USA stetig an. Zwei Drittel der US-Bürger sind mittlerweile betroffen. Doch in den meisten Krankenhäusern und Arztpraxen wurden bisher keine Konsequenzen gezogen. Daß auch sie damit ein Problem haben, begreifen Krankenschwestern, Pfleger und Mediziner erst, wenn der Blutdruckmesser nicht mehr um den Oberarm paßt, die Nadel für die intravenöse Versorgung im Fett steckenbleibt oder beim Umdrehen des bettlägerigen Patienten der Rücken knackst. Gerade das Heben übergewichtiger Patienten stellt Pfleger häufig vor Probleme. Viele klagen über Rückenschmerzen. Andere verursachen beim Stemmen Unfälle und finden sich vor Gericht wieder. Immer wieder kommt es vor, daß Klinikpersonal aus Angst vor Klagen schwergewichtige Patienten boykottiert, wie die Ärztin Susan Gallagher Camden in einer Studie konstatiert. Zwar haben sich Unternehmen auf die Herstellung von Waagen spezialisiert, die bei 450 Kilo noch nicht am Anschlag sind. Ob Apparate für Mammographien, Blutdruckmesser, Rollstühle oder OP-Hemden – fast alles ist inzwischen auch in der Version XXXXXL zu haben. »Eine ganze Industrie lebt von der Produktion der medizinischen Ausrüstung für fettleibige Kranke», sagt Susan Yanovski vom Nationalen Gesundheitsinstitut, »doch vielen Ärzten ist bis heute nicht klar, daß sie bessere Ergebnisse erzielen könnten, wenn sie das Übergewicht ihrer Patienten berücksichtigten».Das gelte auch für die Forschung: »Bei vielen Medikamenten wissen wir nicht, wie sie bei Übergewichtigen wirken.« Jährlich sind etwa 100 000 Todesfälle in den USA auf Übergewicht zurückzuführen. Aber selbst nach ihrem Ableben ist es nicht leicht mit den Dicken. So blieb im Februar die Leiche einer 250 Kilo schweren Frau 40 Tage im Kühlraum eines texanischen Leichenschauhauses, weil die Leitung des Krematoriums zuvor die Erstattung zusätzlicher Kosten forderte: Nach ihren Angaben verbrennt Fett wesentlich schlechter als Muskelgewebe. (AFP/jW)