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Aus: Ausgabe vom 27.12.2025, Seite 5 / Inland
Krise der Automobilindustrie

Zulieferer bauen ab

Der deutsche Karren läuft nicht rund: Massenentlassungen stehen bevor. Die Erschließung anderer Geschäftsfelder bleibt bislang die Ausnahme
Von Gudrun Giese
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Hauptsache Feuern: Entweder den Tiegel – oder eben die Beschäftigten

In der deutschen Automobilindustrie kriselt es seit längerem. Man hat die neusten Entwicklungen, etwa den Elektromotor und die Batteriezellen, verschlafen. Das trifft auch die Zulieferer, deren Komponenten nicht mehr oder in geringerem Umfang benötigt werden. Ausbaden müssen es zunächst die Beschäftigten.

Anfang November teilte der Autolobbyverband VDA mit, dass 61 Prozent der befragten Konzerne der Branche ihre Beschäftigtenzahl verringern wollen. Ein halbes Jahr zuvor hatte der Wert bei 57 Prozent gelegen. »Die anhaltende wirtschaftliche Stagnation in Deutschland und die andauernde schwache Entwicklung des Automobilmarkts in Europa wirken sich immer stärker auf die mittelständischen Unternehmen der deutschen Automobilindustrie aus«, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller laut merkur.de. Die bayerische Webasto-Gruppe, die unter anderem Autodächer, Heiz- und Kühllösungen sowie Batteriesysteme für Fahrzeuge produziert, wolle demnach in zwei Schritten nahezu 1.000 der 3.700 Arbeitsplätze im Inland abbauen. Vergleichbar umfangreiche Stellenstreichungen seien auch im Ausland geplant, wusste Reuters. Damit soll die Reduzierung der Personalkosten etwa sechzig Prozent zum geplanten »Sparprogramm« im Umfang von 150 Millionen Euro beitragen.

Derlei drastische Einschnitte haben beim Traditionshersteller Zahnradfabrik Friedrichshafen (ZF) bereits Fahrt aufgenommen. Von den bis Ende 2028 rund 14.000 wegfallenden Stellen seien seit Anfang 2024 schon 5.700 gestrichen worden, meldete dpa. Zudem hat ZF diese Woche den Verkauf seiner Sparte mit Fahrerassistenzsystemen an die Samsung-Tochter Harman International beschlossen. Das internationale Interesse am deutschen Ruin scheint groß. Gleichsam kürzt Bosch Automotive, wo bundesweit 13.000 Jobs zur Disposition stehen: 3.500 Stellen im Werk Feuerbach, in Schwieberdingen 1.750 Stellen, beide betraut mit klassischer Einspritztechnologie.

Anfang Dezember demonstrierten Beschäftigte und Gewerkschafter in Feuerbach gegen den Abbau. Alle 12.000 Beschäftigten am Standort bangten mit ihren Familien um ihr Schicksal, betonte Bosch-Vertrauensmann Andreas Kölpin laut SWR. Das Management müsse »Ideen bringen«, statt Rauswürfe zu planen. Vertreten waren auch Betriebsräte von Mahle, Porsche, Koenig & Bauer sowie der Stuttgarter Niederlassung von Siemens, die gemeinsam vor weiterem Abbau zu Lasten der Beschäftigten warnten.

Das gilt auch für andere Regionen. Einer Umfrage unter Betriebsräten der IG Metall zufolge stünden bei drei Vierteln der Autozulieferbetriebe in Bayern Entlassungen an. »Die Abwanderung und der Stellenabbau in der Autozulieferindustrie drohen dramatische Ausmaße anzunehmen«, zitierte dpa den IG-Metall-Bezirksleiter Horst Ott. In der gesamten Automobilindustrie sollen nach einer Aufstellung der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) bundesweit bereits 51.000 Stellen verlorengegangen sein. Das entspreche nahezu sieben Prozent der Arbeitsplätze in der Branche. Kein anderer Industriezweig sei so stark von Stellenstreichungen betroffen, hieß es in der Wirtschaftswoche.

Obendrein häuft sich die Zahl der Insolvenzen. Der Autoschließsystemespezialist Kiekert etwa steckt in einem vorläufigen Insolvenzverfahren. Vor dem Aus steht offenbar Voit Automotive, Hersteller von Komponenten für die Antriebstechnik, der zum 30. September 2026 geschlossen werden soll, wie Die Rheinpfalz berichtete. Die Wirtschaftswoche bezifferte das Ausmaß: Insgesamt sei die Zahl der Insolvenzen in der Branche von 2023 bis 2024 um siebzig Prozent gestiegen. Für 2025 registrierte die Unternehmensberatung Falkensteg 41 Pleiten großer Zulieferbetriebe, die einen Gesamtumsatz von mehr als zehn Millionen Euro auf sich vereinigt hätten. Für 2025 sei mit zwanzig Prozent mehr Großinsolvenzen zu rechnen als im Vorjahr. Das sei eine Marktbereinigung, »wie sie seit Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten war«.

Es geht bergab, gibt aber auch Beispiele für einen anderen Umgang mit der Krise. Das ZDF stellte kürzlich Betriebe vor. So setzt der mittelständische Zulieferer Konzelmann, der auf Präzisionsteile aus Kunststoff für Getriebedichtungen spezialisiert ist, auf Diversifizierung und fertigt nun ein Bauteil, das Batterien sicherer macht. Neben Komponenten für Automobile produziert das Unternehmen im baden-württembergischen Löchgau zudem für die Medizintechnik. Ein ungewöhnliches neues Geschäftsfeld hat sich der Rolls-Royce-Zulieferer Testa Motari aus dem Erzgebirge geschaffen: Hier wurde das Modulhaus »Johanna« entwickelt, das im Betrieb vorgefertigt und beim Kunden zusammengefügt wird, wie der MDR Anfang September berichtete. Der Übergang vom alten zum neuen Geschäft habe nicht gleich perfekt gepasst, erklärte Vertriebsleiter Martin Gruber. Doch das Projekt sei vor allem wichtig für die Beschäftigten, die trotz der Wirtschaftsflaute weitermachen können.

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