Heiße Weihnacht in Bolivien
Von Frederic Schnatterer
Straßenblockaden, Demonstrationen, Streik: In Bolivien geht das Jahr 2025 alles andere als ruhig zu Ende. Am Montag (Ortszeit) blockierten Protestierende laut Straßenverwaltungsamt ABC wichtige Verkehrswege in sechs der insgesamt neun Departements des Landes. In den großen Städten La Paz und Cochabamba war das öffentliche Leben lahmgelegt, in Santa Cruz wurde der Nahverkehr bestreikt. Andere Einzelgewerkschaften zeigten sich zu Verhandlungen mit der Regierung bereit. Präsident Rodrigo Paz zeigt bislang jedoch keine Dialogbereitschaft.
Zuvorderst geht es den Gewerkschaften darum, das Ende der Subventionierung von Benzin, Diesel und Gas rückgängig zu machen. Dies ist Teil eines Maßnahmenpakets, das die noch junge Rechtsregierung von Paz am Mittwoch der vergangenen Woche per Dekret durchgesetzt hatte. Seit mehr als 20 Jahren waren die Kraftstoffpreise in Bolivien subventioniert gewesen. Ohne den Zuschuss stieg der Preis für einen Liter Benzin auf fast das Doppelte, der für Diesel auf nahezu das Dreifache. Die Folgen sind zunächst deutlich teurere Fahrpreise. Allerdings dürften auch die Preise für Grundnahrungsmittel und die Inflationsrate ansteigen. Die logische Folge wird eine weitere Verarmung großer Teile der Bevölkerung sein.
Paz begründet den Schritt mit dem klammen bolivianischen Staatshaushalt. Laut Zentralbank beträgt dessen Defizit mehr als zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Am Sonnabend erklärte der Präsident: »Der Staat verhält sich gegenüber dem Volk wie eine Zecke. Der Versuch, ihn loszuwerden, schmerzt, da er dein Blut saugt.« Im Text des Dekrets heißt es, die Maßnahmen seien notwendig, um die »wirtschaftliche, finanzielle und soziale Krise« zu bewältigen, die die neue von den linken Vorgängerregierungen unter Evo Morales (2006–2019) und Luis Arce (2020–2025) »geerbt« habe. Diese hätten demnach Gelder und Ressourcen »verschwendet« und »Misswirtschaft« betrieben.
Paz’ im Stile einer Schocktherapie verordnetes Maßnahmenpaket geht über die Streichung der Kraftstoffsubventionen hinaus. Mit dem Argument, Investitionen müssten gefördert und die Privatwirtschaft angekurbelt werden, öffnet die Regierung in- und ausländischem Kapital Tür und Tor, insbesondere im Bereich des Bergbaus. Bolivien verfügt über große Rohstoffvorkommen, beispielsweise an Lithium. Großinvestoren sollen ähnlich wie im libertär regierten Nachbarland Argentinien mit Zollbefreiungen und Steuererleichterungen beschenkt werden. Exporte, insbesondere im Bereich der Agrarproduktion, werden erleichtert.
Das Ziel der Paz-Regierung ist nicht weniger als ein Umbau des bolivianischen Staates. Die Reichtümer des Landes sollen noch stärker in den Händen einiger weniger konzentriert werden. Der Staat wird auf seine Rolle als Verwaltungsapparat zurechtgestutzt. Gerade einmal zwei Wochen im Amt, hatte Präsident Paz Ende November angekündigt, den Staatshaushalt im kommenden Jahr um 30 Prozent zusammenstreichen zu wollen.
Fakt ist: Die bolivianische Wirtschaft befindet sich in einer Rezession, die Inflationsrate lag laut Statistikamt INE im November bei rund 20 Prozent im Jahresvergleich. Der Zwang, den Gürtel enger zu schnallen, gilt jedoch nicht für alle gleichermaßen. So strich die Regierung Ende November gleich vier Abgaben, die zuvorderst Gutverdienende und Reiche betreffen: die Vermögens-, die Finanztransfer-, die Glücksspiel- und die Gewerbesteuer.
Der Gewerkschaftsdachverband COB zeigte sich am Montag offen für Gespräche mit der Regierung. Gleichzeitig stellte er klar, dass die Mobilisierungen zunächst weitergehen. Expräsident Morales bezeichnete das Dekret im Kurznachrichtendienst X als »das schlimmste Weihnachtsgeschenk für das bolivianische Volk«. Weil gegen ihn ein Haftbefehl vorliegt, nahm er selbst nicht an den Protesten teil – ebensowenig wie Arce, der wegen angeblicher Korruptionsvergehen in Untersuchungshaft sitzt.
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