Im Rückwärtsgang
Von Wolfgang Pomrehn
Was für ein Jahr. Gleich zum Auftakt die katastrophalen Wald- und Buschbrände, die ab der zweiten Januarwoche Teile von Los Angeles in Schutt und Asche legten und einen Schaden in Höhe von 95 bis 164 Milliarden US-Dollar (80,5 bis 139 Milliarden Euro) anrichteten. 31 Menschen starben in den Flammen, später mehr als 400 weitere am Ruß in der Atemluft, heißt es in einer im August im Medizinjournal Jama veröffentlichten Studie.
Weiter ging es von Monat zu Monat mit zahllosen schweren Überschwemmungen auf allen Kontinenten, mit extremen Hitze- und Hagelereignissen, mit Dürren, Waldbränden und anderen Katastrophen, wie etwa dem abrutschenden Hang, der im schweizerischen Blatten ein ganzes Dorf unter sich begrub. Geröll war zuvor auf einen Gletscher gestürzt, hatte ihn am 28. Mai abbrechen und als gewaltige Lawine aus Eis, Schlamm und Gestein ins Tal rauschen lassen. Auch hier hatte der Klimawandel erheblichen Anteil.
Glücklicherweise konnten bis auf einen alle 300 Einwohner rechtzeitig evakuiert werden, weil Hänge und Gletscher in den gefährdeten Schweizer Tälern akribisch vermessen und beobachtet werden. Auch die Kommunikationswege zwischen Wissenschaft, Behörden und Einwohnern scheinen gut zu funktionieren. Letztere wissen um die Gefahren und haben das notwendige Vertrauen in die Fachleute, was für einen funktionierenden Katastrophenschutz unerlässlich ist.
Eben dieses Vertrauen wird allerdings in den alten Industriestaaten vielerorts von faschistischen und konservativen Kräften untergraben. Gezielte Falschmeldungen, Verdrehungen, Lügen und persönliche Angriffe bis hin zu Morddrohungen gehören zu ihrem Arsenal – hauptsächlich in den USA –, aber auch hierzulande wird mitunter mit harten Bandagen gekämpft. Anfang März hatte die Geschäftsführung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) von persönlichen Beschimpfungen (»Ungeziefer«) bis hin zu Bedrohungen in den sozialen Medien berichtet. Vorausgegangen war dem Ende Februar eine 551 Punkte umfassende kleine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag. Die richtete sich zwei Tage vor der Bundestagswahl an die alte Bundesregierung und sollte offensichtlich im Wahlkampf Stimmung gegen bestimmte, der Rechten missliebige Organisationen wie etwa das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC, Greenpeace, Agora Energiewende, BUND und DUH machen. Unterstellt wurde diesen Organisationen unter anderem, parteipolitisch zu agieren und vom Ausland finanziert zu sein.
In den USA haben die Angriffe auf Umweltschutz und Wissenschaft derweil eine neue Qualität erreicht. Gleich nach Amtsantritt Ende Januar hatte US-Präsident Donald Trump mit verschiedenen Verordnungen dafür gesorgt, dass Hunderte Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler auf die Straße gesetzt wurden. Unter anderem wurden der Nationalen Behörde für Ozean und Atmosphäre (NOAA) die Mittel zusammengestrichen. Selbst die Kohlenstoffdioxidmessstation auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii, mit ihrer fast 70 Jahre zurückreichenden Messreihe für die internationale Forschung von unschätzbarem Wert, ist von der Schließung bedroht.
Der vorerst letzte Vorstoß gegen die Klimawissenschaften erfolgte kurz vor Weihnachten mit der Ankündigung, das Nationale Zentrum für Atmosphärenforschung (NCAR) in Colorado zerschlagen zu wollen. Die Supercomputer der seit den 1960er Jahren weltweit zu den führenden Instituten in Sachen Klima- und Wetterforschung gehörenden Einrichtung sollen in andere Bundesstaaten gebracht und die Klimaforschung ganz eingestellt werden. Nur die für die Wettervorhersage unverzichtbaren Abteilungen sollen erhalten, aber ebenfalls verlegt werden. Die Begründung: Das NCAR sei »eine der größten Quellen für Klimaalarmismus in unserem Land«, wie der Direktor der US-Etat-Behörde, Russel Vought, auf X behauptete.
Die Motive hinter diesen wissenschaftsfeindlichen Angriffen sind recht durchsichtig, zumal sie mit dem Versuch einhergehen, den Ausbau von Solar- und Windenergie zurückzufahren oder ganz zu verhindern. Statt dessen werden die Automobil- sowie die Kohle-, Erdöl- und Erdgasindustrie nach Kräften gefördert – damit lässt sich noch immer viel Geld verdienen. Die Klimakrise wird so zusätzlich befeuert. Die Erwärmung beschleunigt sich. In den Jahren 2023 bis 2025 lag die über den ganzen Planeten gemittelte Temperatur im Durchschnitt bereits um mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Entsprechend beginnen die tropischen Korallenriffe großflächig abzusterben, und die Anzeichen häufen sich, dass in bezug auf den Golfstrom eine kritische Schwelle überschritten wird und er in den nächsten Jahrzehnten zum Erliegen kommt.
Doch auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz konnten sich die Länder nicht einmal darauf einigen, langfristig aus Öl-, Gas- und Kohleindustrie auszusteigen. Nicht nur in den USA, auch diesseits des Atlantiks wird in Sachen Klimaschutz derzeit eher der Rückwärtsgang eingelegt. Die EU verwässert auf deutschen Druck ihre Klimaschutzziele und sichert den USA zu, große Mengen Frackinggas zu kaufen. Hierzulande wird unterdessen das Klagerecht für Umweltschutzorganisationen eingeschränkt und ohne Rücksicht auf Umwelt und Klima werden Flüssiggasterminals ausgebaut. Meinungsumfragen zeigen allerdings immer wieder, dass die Unterstützung für Energiewende und Klimaschutz nach wie vor hoch ist, so dass die Hoffnung auf mehr Widerstand aus der Gesellschaft gegen diese zukunftsvergessene Politik bleibt.
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