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Aus: Ausgabe vom 23.12.2025, Seite 10 / Feuilleton
Comic

Mann ohne Ziele

Die Abenteuer von Manfred Sommers Kriegsreporterlegende Frank Cappa in einer Comicgesamtausgabe
Von Marc Hieronimus
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Sommer zeigt den Krieg ohne jede Romantik

Gesamtausgaben schaffen Befriedigung und nicht selten Ehrfurcht. Zum einen das sanfte, beruhigende Gefühl, nichts zu verpassen, wirklich das ganze Werk zu Händen zu haben, mit einer gelehrten Einordnung vom Fachmann. Dann ist da aber auch die Verpflichtung, sich hindurchzukämpfen und bei Vielschreibern die schleichende Angst, dem ­Œuvre nicht Herr zu werden. Da lobt man sich Kafka und Büchner (und verflucht Proust und Tolstoi).

Niemand überblickt die Kunst des spanischen Zeichners Manfred Sommer, der viele Jahre von Malerei und Illustration lebte. Sein comiczeichnerisches Werk aber ist angenehm überschaubar. Vier eigene Serien, ein paar kleine Geschichten und das war’s. Sein bekanntester Serienheld der frühen 80er ist der Kriegsreporter Frank Cappa, dessen Abenteuer nun in einem ansehnlichen Sammelband bei Avant wiederaufgelegt wurden.

Wer ist dieser blonde Held? Der Name erinnert an Robert Capa, den echten Kriegsfotografen, dem Willi Blöss im Eigenverlag und Florent Silloray bei Casterman bzw. Knesebeck eine Comicbiographie gewidmet haben. Äußerlich ist Frank Cappa ein Halbbruder von Steve McQueen und Robert Redford (und Halbvetter von Klaus Kinski), wer seine biologischen Eltern sind, ist unbekannt. Als Säugling war er von einer vergewaltigten Deutschen bei seinen US-amerikanischen Soldatenvätern abgegeben, dann vom daran unbeteiligten schwarzen Sergeanten Francis Cappa adoptiert worden. Dessen Vater wiederum hatte im amerikanischen Bürgerkrieg gekämpft, war zu Beginn des Goldfiebers nach Kanada gegangen. Nach einer Auseinandersetzung mit einem Goldschürfer rettet der italienische Fotograf Francesco Cappa ihm das Leben. Mit einem unterwegs aufgelesenen Chinesen, den sie ebenfalls dem (Erfrierungs-)Tod von der Schippe holen, gründen sie nach ein paar gefährlichen Abenteuern ein Restaurant für internationale Küche.

Als der Fotograf Cappa eines der ersten Opfer dieser »Automobile« wird, macht Opa Cappa ein Sägewerk auf, Vater Cappa kämpft in Zweiten Weltkrieg, und Titelheld Cappa wird in der kanadischen Provinz aufgezogen – im doppelten Sinne, denn als Außenseiter hat er es dort nicht leicht. »Papa … mir gefällt meine Vergangenheit«, sagt er ihm, als er nach langer Zeit wieder die alte Heimat besucht. Aber was heißt Heimat? Cappa ist auf allen Kontinenten unterwegs, doch nirgendwo zu Hause.

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»Quelle connerie la guerre« – Jacques Prévert

In den ersten, noch im Selbstverlag publizierten Geschichten schickt Sommer ihn nach Afrika, später nach Nicaragua, Vietnam, Afghanistan. Er zeigt den Krieg ohne jede Romantik und Heldenverehrung. Die widerlichsten Gestalten leben ungestraft ihren Sadismus aus, Waffenhändler machen Reibach, Söldner ihren Job, Priester und Rebellen kämpfen für die Freiheit, meinen aber zwei verschiedene und unvereinbare. Dazwischen die Kriegs­reporterkollegen auf der Jagd nach den krassesten Bildern. Cappa ist Beobachter, ein Mann mit Stil, Geld, Anstand, aber ohne Ziele. Von einem sandinistischen Comandante gefragt, warum er so viel saufe, antwortet er, er wisse es nicht. »Aber sag mir, wer zum Teufel du bist, und warum begibst du dich in Schwierigkeiten, die dich nichts angehen.« Er weiß es nicht.

»Quelle connerie la guerre« (Jacques Prévert, Barbara), was für ein dummer Scheiß der Krieg doch ist. In Sommers Worten: »Als Sohn eines gläubigen [deutschen] Protestanten und einer strenggläubigen Katholikin bin ich in den Nachwehen eines sinnlosen Weltkriegs zur Welt gekommen, habe in meinen jüngsten Jahren einen Bürgerkrieg durchgemacht und hatte unmittelbar danach die Ehre, einen weiteren sinnlosen und erniedrigenden Weltkrieg mitzuerleben.«

Stilistisch und inhaltlich wurde Sommer durch Freunde und Kollegen wie Hugo Pratt, Carlos Giménez und Jesús Blasco beeinflusst, von den großen Vorläufern waren insbesondere Milton Caniff, Frank Robbins und Will Eisner seine Vorbilder. Mit dem Ende des Franco-Regimes und dem Aufkommen des Autorencomics Mitte der 1970er war Frank Cappas Zeit gekommen. Er ist seither nicht gealtert.

Manfred Sommer: Frank Cappa. Gesamtausgabe. Avant-Verlag, Berlin 2025, 352 Seiten, 50 Euro

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