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Aus: Ausgabe vom 20.12.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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»Von der Priorität des Naturwissenschaftlichen befreit«

Zu jW vom 16.12.: »Einsen und Nullen«

Die Ausführungen des Verfassers sind sehr interessant, gerade weil er Bewusstsein ins Tun legt. Die Frage ist also nicht, was Bewusstsein ist, sondern wo es sich entwickelt. Problematisch ist dann allerdings die Herleitung der Antwort, obwohl diese wieder richtig ist. Der Verfasser setzt voraus, dass niemand ein ungefähres Verständnis von Bewusstsein hätte, außer die naturwissenschaftlich orientierte Psychologie. Diese hat die Frage, wo sich Bewusstsein entwickelt, aber gar nicht zu ihrem Gegenstand (das hat ausschließlich die Philosophie), sondern sie klärt mit Hilfe der Naturwissenschaften die biologischen, neurologischen, chemischen und physikalischen Grundlagen für Bewusstsein im Einzelsubjekt. Das ist kompliziert genug, und hier gibt es viel zu erforschen. Wenn wir aber noch mehr über das Funktionieren des organischen Wahrnehmungsapparats wissen, kommen wir der Antwort auf die Frage, wo Bewusstsein sich entwickelt, kein Stück näher. Denn wer Bewusstsein darin sucht, was empirisch-experimentell über Bewusstsein (un)bekannt ist, setzt bereits das voraus, was er herausfinden möchte. Was dem Gedankengang des Verfassers fehlt, ist ein Verständnis des Tuns als gesellschaftliches Tun. Bewusstsein in bezug auf den Menschen ist die gesellschaftlich-historische Form menschlicher Tätigkeit, die einen organisch-stofflichen Träger benötigt, der im Rahmen dieser Tätigkeit durch sie hervorgebracht wurde. Die Bedeutung unseres Tuns kommt also nicht nur aus dem permanenten Stoffwechsel unserer Körper mit ihrer Umgebung. Das ist reduktionistisch. Bedeutung, die immer nur eine »für uns« ist, entsteht dort, wo der gesellschaftliche Mensch seine Beziehungen zu anderen gesellschaftlichen Menschen, Dingen und Naturverhältnissen ordnet und in Werte, Absichten und Ziele umsetzt. In unseren Körpern werden wir das nicht finden. Der Begriff der »Erwartungsmatrix« könnte geeignet sein, um in diese Richtung weiterzudenken; er müsste nur von der Priorität des Naturwissenschaftlichen befreit werden.

Martin Küpper, Berlin

Wegeschild für Rolf Becker

Zu jW vom 15.12.: »Einer, der nie aufgab«

Die Geflüchtetenarbeit lag Rolf sehr am Herzen. Mit seiner Sylvia Wempner besuchte uns Rolf mit einer fünfköpfigen Familie aus Afghanistan im März 2016 in Blumenthal; fragte, wie wir diese Familie unterstützen könnten. Entsetzt zeigten sich beide nach einem Besuch über die Zustände in dem Riesenzelt, in dem Hunderte Geflüchtete untergebracht waren. Mehrere Stunden saßen wir bei Kaffee und Kuchen zusammen. Unvergesslich bleibt die Solidaritätsveranstaltung in der Cafeteria des Gustav-Heinemann-Bürgerhauses, wo Rolf im November 2016 Heinrich Heine vor 105 Zuhörern las. Es ging um die Wegebenennung von zwei geköpften Kommunisten aus Blumenthal, wo wir über mehrere Jahre vehement zwei Wege forderten, die nach den beiden Blumenthalern Leo Drabent und Hans Neumann benannt werden sollten. Auf dieser Benefizveranstaltung wurden 2.600 Euro an Spenden gesammelt, die wir benötigten, damit Dirk Schmidtmann, langjährig tätiger Landtagsabgeordneter der Grünen, ein Betonbauer, die Schilder besorgen und alleine alle vier Wegeschilder installieren konnte. Diese Bündnispolitik liebte Rolf. Neben dem Grünen war die Künstlerin und Palästina-Aktivistin Gisela Vormann dabei, der SPD-Mann Dieter Schulze, langjähriger Seniorenvertreter im Land Bremen, und der Kommunist Holger Bühling.

Leo und Hans standen für den Kampf um Frieden und Arbeiterrechte. Nach der Veranstaltung schenkten wir Rolf Becker ein schön gerahmtes Bild von Leo Drabent. Eine Freude und Überraschung wollten wir noch zum Ende dieses Jahres unserem Rolf bereiten. Rolf Becker sollte in Bremen-Nord Fidel Castro lesen. Auf dieser Veranstaltung war vorgesehen, unserem Rolf das »grüne« Wegeschild als Geschenk zu überreichen, das für so viel Furore in Bremen-Nord 2016/2017 sorgte. Auf dem Wegeschild stand: »Leo-Drabent-Weg, 1899–1944, KPD Widerstandskämpfer gegen den Krieg. Hingerichtet von den Nazis im Zuchthaus Brandenburg«. Unvergessen bleibt ein besonderer Mensch, ein Sozialist, den wir nie vergessen werden!

Gerd-Rolf Rosenberger und Regine Voß, Bremen

Halbbildung

Zu jW vom 16.12.: »Dumm gelaufen«

Der Satz, dass Bildung nichts weiter sei als »ein Vehikel, das dem eigenen Fortkommen dient«, wird Jacob Burckhardt zugeschrieben. Er ist immerhin schon 1897 gestorben. Laut Adorno ist Bildung zu »sozialisierter Halbbildung geworden, der Allgegenwart des entfremdeten Geistes«. Halbbildung, so Adorno, sei der vom »Fetischcharakter der Ware ergriffene Geist«. Dass die deutsche oder eine sonstige Bourgeoisie für die Interessen der Bevölkerung handelt, wäre ein Oxymoron. Dass es in der DDR anders war, glaube ich gerne! Schon ein grober Vergleich, welche Anzahl und Kaliber die DDR-Bildungspolitik an Philosophen, Historikern, Soziologen, Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht hat, spricht Bände.

Oliver Sümnick, Hundsbach

Orwellian

Zu jW vom 13./14.12.: »Den Nährboden entziehen«

Kontenkündigung der DKP, Repressionen durch Sanktionen gegen missliebige Journalisten wie Alina Lipp, Thomas Röper und Hüseyin Doğru, das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts im Fall junge Welt gegen Bundesrepublik. Und nun das. Sind wir auf dem Weg in eine Diktatur? Nein – wir sind mittendrin! Es werden alle möglichen und unmöglichen Mittel der Macht aktiviert, um diejenigen mundtot zu machen, die gegen den Kurs dieses Landes in den Krieg aufstehen. Und dazu, es mag vielleicht an den Haaren herbeigezogen erscheinen, gehört auch die Ablehnung des Wahleinspruchs der einzigen wirklichen Friedenspartei in dieser »Republik«, dem BSW. Der ach so oft beschworene »Rechtsstaat« zählt nur noch dann, wenn er den Rechthabern Genüge tut. Alles andere wird unter der Knute der Diktatur des Geldes und der usurpierten Macht in den Dreck getreten. George Orwell lässt grüßen.

Andreas Eichner, Schönefeld

Leo Drabent und Hans Neumann standen für den Kampf um Frieden und Arbeiterrechte.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

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