Worst-Case-Szenario
Von Dieter Reinisch
Es ist bereits ihre 14. Arbeitsniederlegung seit Beginn des Konflikts im März 2023. Insgesamt 59 Tage Ausstand sind seitdem zusammengekommen. Seit Mittwoch streiken die Assistenzärzte in England wieder. Diesmal fünf Tage, bis Montag. Das dürfte Auswirkungen haben, denn die Assistenzärzte machen mehr als ein Drittel aller Ärzte im britischen Gesundheitswesen NHS aus.
Zuletzt streikten sie Mitte November. Seither gab es keine Annäherung in den Verhandlungen und die Labour-Regierung blockt weiter. Gesundheitsminister Wes Streeting versuchte Anfang der Woche lediglich, mit der Ärztegewerkschaft British Medical Association (BMA) eine Verschiebung des Ausstands auf Januar auszuhandeln, um die angespannte Lage im NHS in der Vorweihnachtszeit nicht weiter zu verschlechtern. Die Regierung bezeichnete das Treffen gegenüber der BBC zwar als »konstruktiv«, doch die erzielten Fortschritte reichten nicht aus, um den Streik abzusagen. Die Gespräche waren am Dienstag ergebnislos gescheitert.
Mit der Frühschicht am Mittwoch begannen die Arbeitsniederlegungen. Zuvor informierte Jack Fletcher, Vorsitzender des Assistenzärztekomitees der BMA, die Medien darüber, dass am Wochenende Zehntausende Ärzte zu einer BMA-Versammlung zusammengekommen waren, um der Regierung mitzuteilen, dass deren Angebot nicht ausreicht. Laut einer Onlineumfrage, an der 65 Prozent ihrer über 50.000 Mitglieder teilgenommen hatten, lehnten 83 Prozent der Assistenzärzte das Regierungsangebot ab, den Streik auf Januar zu verschieben. Denn das letzte Angebot der Regierung enthielt keine Gehaltsanpassungen, für die sich BMA bereits vor dem Labour-Wahlsieg im letzten Jahr eingesetzt hatte.
Fletcher forderte die Regierung auf, ein ernsthaftes Angebot vorzulegen: »Es ist längst überfällig, dass die Minister einen wirklich langfristigen Plan vorlegen. Wenn sie einfach einen klaren Weg aufzeigen, wie die Gehälter über mehrere Jahre hinweg verantwortungsvoll erhöht und genügend neue Arbeitsplätze zusätzlich zu den bereits bestehenden geschaffen werden können, dann wird es für den Rest der Amtszeit dieser Regierung keine weiteren Streiks mehr geben«, erklärte der BMA-Vertreter. Die britischen Ärzte hätten »ein Jahr der Verleugnung seitens der Regierung erlebt«, sagte Fletcher und widersprach damit den Behauptungen der Regierung, sie werde die NHS-Probleme in Angriff nehmen, die in den 15 Jahren unter konservativen Regierungen entstanden seien.
Nach seinem Amtsantritt letztes Jahr hatte Streeting eine Vereinbarung mit den Ärzten getroffen und ihnen eine Gehaltserhöhung von 22 Prozent angeboten – sieben Prozentpunkte weniger als die von der BMA geforderte Anhebung. Die Gewerkschaft drängt auf eine Verbesserung des Gehaltsangebots um weitere 5,4 Prozent und argumentiert, dass Assistenzärzte noch immer unter den jahrelangen Reallohnverlusten von knapp 35 Prozent seit 2009 leiden.
NHS England warnte, dass der Arbeitskampf ein »Worst-Case-Szenario« aufgrund eines starken Anstiegs von Grippefällen infolge eines besonders aggressiven Virus herbeiführe. Streeting nahm die chronische Überlastung des NHS, die während Krankheitswellen regelmäßig offenbar wird, zum Anlass, die Ärzte aufzufordern, ihre Arbeit wieder aufzunehmen: »Diese Streiks sind völlig unnötig und zeigen die schockierende Missachtung der Patientensicherheit durch die BMA«, sagte er Sky News und fügte hinzu, die Ausstände seien »egoistisch, unverantwortlich und gefährlich«. Die Zahl der grippebedingten Krankenhausaufenthalte in England stieg im Dezember um mehr als 50 Prozent und erreichte durchschnittlich 2.660 Patienten pro Tag – den höchsten Wert für diesen Zeitraum in der NHS-Geschichte. Gesundheitsexperten betonten, dass der Höhepunkt der Grippewelle noch nicht absehbar sei.
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